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Während Kochbücher und Ratgeber zu Ernährungsthemen im Buchhandel ganze Regale füllen, ist die Literatur zu ethischen und ökologischen Fragen rund um die Tierhaltung ziemlich übersichtlich. Dennoch gibt es einige lesenswerte Sachbücher, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema der Beziehung von Menschen und Tieren nähern.  Eine Auswahl: 

Jonathan Safran Foer

Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können

(USA 2019, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 328 Seiten)

Rund zehn Jahre nach ‘Tiere essen’ hat der US-amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer erneut ein Sachbuch geschrieben. Dieses Mal über den Klimawandel und darüber, was die Menschheit als Ganzes und was jeder Einzelne tun kann, um zu retten, was noch zu retten ist. Das eigentliche Anliegen des Buches kommt auf leisen Sohlen angeschlichen. Erst auf Seite 78, nach zahlreichen historischen Analogien und autobiographischen Anekdoten, offenbart der Autor, worum es ihm eigentlich geht: die Auswirkungen landwirtschaftlicher Tierhaltung auf die Umwelt. Diese Auswirkungen legt er auf mehr als 20 Seiten in Stichpunkten voller eindrucksvoller Zahlen und Fakten dar. Er belässt es dann nicht beim Problemaufriss, sondern liefert auch noch einen ganz konkreten Vorschlag mit: Jeder Mensch sollte zum Frühstück und Mittagessen auf tierische Produkte verzichten, um so die eigenen Emissionen auf ein klimaverträgliches Maß zu drücken. Will das aber nicht als kategorisches Plädoyer für eine vegane Ernährung verstanden wissen. Das Buch ist zugleich auch eine Analyse zu individuellen und kollektiven Verdrängungsmechanismen und setzt sich sehr persönlich mit der eigenen Fehlbarkeit auseinander. Sowohl von der Botschaft als auch von der Erzählweise her ist das Buch deutlich zurückhaltender als ‘Tiere essen’, fast schon etwas zaghaft. Foer gibt sich alle Mühe, jene Leser nicht zu verschrecken, die bei dem Thema unentschieden oder anderer Meinung sind, und jedem Dogmatismus auszuweichen. ‚Wir sind das Klima!‘ ist durchaus lesenswert, doch gegenüber ‚Tiere essen‘ fällt es deutlich ab – weniger weil es eine kategorische Festlegung meidet, sondern weil es dem Autor nur mäßig gelingt, die Vielzahl der zum Teil weit hergeholten Analogien und Anekdoten zu einem wirklich kohärenten Werk zu verbinden. An manchen Stellen etwas zu sehr um die Ecke gedacht.  

Niko Rittenau

Vegan-Klischee ade. Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung

(Deutschland 2018, Ventil Verlag, 462 Seiten)

Viele Vorurteile gegen eine vegane Ernährung halten sich hartnäckig, und die meisten davon behaupten, durch eine vegane Ernährung würden dem Körper essentielle Nährstoffe vorenthalten. Diesen Mythen geht der Ernährungsberater Niko Rittenau mit gut aufbereiteten Informationen und viel Gespür fürs Detail nach. ‘Vegan Klischee’ ist keine politische oder ethische Kampfschrift, sondern ein nüchterner Faktencheck zu gesundheitlichen Aspekten rund um eine vegane Ernährung. Halb Ernährungsratgeber, halb Nachschlagewerk ist das Buch so aufgebaut, dass es nicht von Anfang bis Ende gelesen werden muss. Jedes Kapitel hat ein eigenes Fazit, bei dem die Mythen und die entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu gegenübergestellt werden, so dass sich das Ganze auch querlesen lässt, ohne ganz tief einsteigen zu müssen. Im ersten Teil des Buches widmet Rittenau sich einzelnen Nährstoffen – von den üblichen Verdächtigen Protein, Eisen, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B₁₂ bis hin zu Stoffen wie Selen. Es folgt eine Darstellung zu den fünf wichtigsten Nahrungsmittelgruppen einer veganen Ernährung und schließlich eine kritische Auseinandersetzung mit Vorurteilen rund um Soja, inklusive der Behauptung, Soja würde den Hormonhaushalt von Männern durcheinanderbringen. Das Buch argumentiert immer auf Basis von wissenschaftlichen Studien, die auch transparent als Quellen ausgewiesen sind. Dabei ist die Informationstiefe so groß, dass es manchen etwas überfordern dürfte – allein das Kapitel über Vitamin B₁₂ ist rund 40 Seiten lang. Aber dafür gibt es ja besagte Fazits. Unter dem Strich eine wertvolle Anschaffung, die sowohl als praxisnaher Leitfaden für eine vegane Ernährung als auch als Nachschlagewerk zu Urban Myths der Ernährungsdebatte funktioniert.

Michael Pollan

Das Omnivoren-Dilemma. Wie sich die Industrie der Lebensmittel ermächtigte und warum Essen so kompliziert wurde 

(USA 2006, Arkana Verlag, 607 Seiten)

Der US-amerikanische Journalist Michael Pollan beschäftigt sich vorrangig mit Ernährungsthemen. Von ihm stammt unter anderem das Buch ‚Kochen‘, das auch in einer mehrteiligen Netflix-Serie umgesetzt wurde. Bereits 2006 veröffentlichte Pollan ‚Das Omnivoren-Dilemma‘, eine messerscharfe Analyse zur Entfremdung der US-amerikanischen Gesellschaft von ihrer natürlichen Ernährungsweise. Grundthese des Buches ist, dass das Überangebot an Nahrungsmitteln in westlichen Gesellschaften zu einer fundamentalen Essstörung mit dramatischen Folgen für Umwelt, Gesundheit und Tierwohl geführt hat. Der Autor verfolgt sehr anschaulich drei Nahrungsketten von ihrem Ursprung bis zur fertigen Mahlzeit auf dem Teller. Zuerst die industrielle Nahrungskette, die auf Monokulturen und Massentierhaltung aufbaut und somit den übergroßen Teil aller verarbeiteten Lebensmittel in den Supermärkten repräsentiert, dann eine Nahrungskette, die auf ökologischer Landwirtschaft und Tierhaltung aufbaut, und schließlich eine archaische Jäger-und-Sammler-Nahrungskette. Besonders einprägend ist die Schilderung der industriellen Nahrungskette, die ihren Anfang auf einem Maisfeld irgendwo in Iowa hat und in einem Schnellrestaurant in Form eines Burgermenüs endet. Pollan beleuchtet jede einzelne Station der Reise der Sonnenenergie von der Sonne bis zur Aufnahme durch den Menschen: den Anbau von Futtermais in riesigen Monokulturen, die Rolle von Düngemitteln auf Basis von fossilen Rohstoffen, die Umwandlung des Futtermittels in Fleisch mit den Methoden der Intensivtierhaltung, die Weiterverarbeitung zu einer Mahlzeit. Die einzelnen Glieder der Kette schildert er auf Basis von umfangreichen Recherchen, Gesprächen mit Menschen sowie eigenen Vor-Ort-Besuchen. Dabei ist das Ganze nicht nur informativ sondern mitunter auch recht unterhaltsam geschrieben. Das Buch ist kein Plädoyer für einen kompletten Umstieg der Menschheit auf eine rein pflanzenbasierte Ernährung. In seiner Haltung gegenüber der industriellen Massentierhaltung ist es jedoch sehr klar und arbeitet anschaulich den Wahnsinn des gegenwärtigen Systems heraus.  

Karen Duve

Anständig essen

(Deutschland 2011, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 335 Seiten)

‘Anständig essen’ ist das Produkt eines zehn Monate langen Selbstversuchs der deutschen Schriftstellerin Karen Duve (‘Macht’ und ‘Taxi’). Auf ihrem Hof im brandenburgischen Ringenwalde nähert sich die Autorin Schritt für Schritt einer veganen Ernährung an, in dem sie unterschiedliche Ernährungsweisen ausprobiert: Zunächst steigt sie von gewöhnlicher Mischkost aus konventioneller Massentierhaltung auf Produkte mit Bio-Siegel um, dann auf vegetarische Ernährung und schließlich auf eine vegane Lebensweise. Am Ende des Selbstversuchs steht mehrere Wochen lang nur frutarische Kost auf dem Speiseplan, also reife Früchte, bei deren Ernte die Mutterpflanze nicht beschädigt wurde. Dabei nimmt Duve die Leser mit auf den Einkauf im Supermarkt, auf hitzige Diskussionen im Familienkreis und auf nächtliche Tierbefreiungsaktionen während ihrer veganen Phase. Das Buch beschreibt sehr anschaulich, welche Zweifel und Hürden sich bei den einzelnen Etappen zunächst auftun, aber auch, wie befreiend und befriedigend es ist, wenn sich diese Bedenken im Nachhinein als übertrieben herausstellen. Für die Autorin steht am Ende ihres Selbstversuchs der Entschluss, sich fortan hauptsächlich pflanzlich zu ernähren und auf Fleisch aus Massentierhaltung komplett zu verzichten. Da als Selbstversuch angelegt, ist das Buch sehr persönlich, vermittelt darüber hinaus aber auch kurzweilig Faktenwissen zu ethischen, ökologischen und politischen Facetten des Themas. Angenehm zu lesen und anschlussfähig an eine breitere Leserschaft ist das Buch vor allem, weil es nicht aus einer Position der moralischen Überlegenheit heraus argumentiert. Der moralische Zeigefinger der Autorin zeigt stets auf sie selbst, sie sucht einen Weg, um mit eigenen Inkonsequenzen und Widersprüchen umzugehen, statt anderen den Prozess zu machen. Das lädt dazu ein, eigene Annahmen und Gewohnheiten zu hinterfragen.

Dr. Christine Chemnitz, Gesine Grotrian 

Iss was?! Tiere, Fleisch und ich

(Deutschland 2019, Heinrich-Böll-Stiftung, 140 Seiten, online abrufbar)

Einen kurzweiligen Einstieg in das Thema Tierhaltung liefert die Publikation ‚Iss was?!‘ der Heinrich-Böll-Stiftung. Aufgebaut ist das Buch nicht als durchgehender Text, sondern als Zusammenstellung von ansprechend aufbereiteten Infografiken mit Erläuterungen. Das Dossier kann von vorne nach hinten, von hinten nach vorne oder einfach nur ausschnittsweise gelesen werden. Jede Doppelseite widmet sich einem anderen Aspekt. Dabei ist das Themenspektrum so breit, dass es so gut wie alle Facetten abdeckt: Fleischkonsum in Deutschland und der Welt, Methoden der Massentierhaltung, Sozialverhalten der Tiere, Auswirkungen der industriellen Tierhaltung auf Klima, Biodiversität, Welthunger und öffentliche Gesundheit etc. Das Buch richtet sich vor allem an Jugendliche und unterscheidet sich in der Aufmachung deutlich von dem jährlich erscheinenden Fleischatlas der Böll-Stiftung, es ist aber auch für alle anderen geeignet. Selbst Menschen, die sich seit Jahren mit Tierhaltung auseinandersetzen, dürften darin noch auf neue Informationen stoßen. Das Buch kommt ohne erhobenen Zeigefinger und ohne ein Plädoyer für eine bestimmte Ernährungsweise aus. Das ist auch gar nicht nötig, denn die aufgeführten Daten und Fakten zu Haltungsmethoden, Lebensmittelverschwendung und Umweltauswirkungen sprechen eigentlich für sich. Die Quellen der aufgeführten Daten und Fakten werden am Ende samt Link transparent ausgewiesen. Das Dossier wurde 2016 veröffentlicht und zuletzt 2019 aktualisiert. Es kann über die Website der Böll-Stiftung zum Versandkostenpreis bezogen oder als PDF-Datei heruntergeladen werden. 

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