Noch immer halten sich in den Köpfen der Menschen zahlreiche Mythen über das Fleischessen und den Veganismus. Viele davon postulieren unhinterfragt, dass der Mensch als Spezies ja immer Fleisch gegessen habe und dass ein Verzicht darauf quasi der Versuch ist, Naturgesetze zu überwinden. Doch der Blick darauf, wo in der Welt wie viel Fleisch gegessen wird, zeigt, dass der massenhafte Verzehr von tierischen Produkten eine sehr junge Entwicklung ist – gemessen an der Geschichte der Menschheit ein Wimpernschlag – und dass sich diese auf der Welt sehr unterschiedlich vollzieht. Hierzu im Folgenden eine bewusst nüchterne Bestandsaufnahme zur Entwicklung des weltweiten Konsums von Fleisch-, Fisch- und Milchprodukten.
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sammelt seit Jahrzehnten Daten zur landwirtschaftlichen Produktion von Lebensmitteln und zur Ernährung der Menschen in den Mitgliedstaaten. Die Statistiken der FAO sind nicht unumstritten, denn die Daten werden von den einzelnen Staaten zugeliefert. Viele davon stehen im Verdacht, die Daten seien geschönt, um Probleme zu kaschieren, zum Beispiel um die Unterernährung von Menschen oder die Überfischung von Gewässern herunterzurechnen. Dennoch sind die Daten der FAO die umfangreichste Sammlung von vergleichbaren Daten aus den einzelnen Ländern, die bis in das Jahr 1961 zurückreichen und aktuell bis 2017 ausgewertet sind.
Die von der FAO aggregierten Daten zum Verbrauch von Fleisch- und Wurstwaren, Meerestieren, Milchprodukten und Eiern beschreiben nicht den tatsächlichen Verzehr dieser Lebensmittel durch die Menschen (‚consumption‘), sondern wie viel ihnen zum Essen zur Verfügung steht (’supply‘). Konkret heißt das am Beispiel Fleisch, dass die Daten nicht nur die tatsächlich verzehrten Mengen an Fleisch- und Wurstwaren umfassen, sondern auch das Fleisch, das im Hausmüll landet oder im Supermarkt abläuft und entsorgt wird. Der tatsächliche Verzehr kann also immer etwas niedriger liegen, vor allem in den reichen Staaten, in denen die Menschen einen dekadenten Umgang mit Lebensmitteln pflegen und viel wegwerfen.
Fleischverbrauch ist in Hongkong, den USA und Australien am höchsten
Am meisten Fleisch essen die Einwohner von Hongkong. Pro Kopf liegt der jährliche Verbrauch von Fleisch- und Wurstwaren dort bei 137 Kilogramm. Es folgen die USA mit 124 Kilogramm, Australien mit 122 Kilogramm und Argentinien mit 109 Kilogramm. Innerhalb Europas haben Spanien mit 100 Kilogramm und Portugal mit 94 Kilogramm den höchsten Fleischverbrauch pro Kopf. Die deutschen Verbraucher kommen auf durchschnittlich 88 Kilogramm, Österreich auf 87 Kilogramm und die Schweiz auf 68 Kilogramm. Global betrachtet liegt Deutschland beim Fleischverbrauch auf Platz 18.
Den weltweit niedrigsten Fleischverbrauch haben Indien und das Nachbarland Bangladesch mit jeweils 4 Kilogramm pro Einwohner. Damit korrespondiert, dass der Anteil der vegetarisch lebenden Menschen an der Gesamtbevölkerung in Indien traditionell am größten ist. Die Unterschiede sind also groß: Ein in den USA lebender Mensch verbraucht rund 33-mal so viel Fleisch- und Wurstwaren wie ein in Indien lebender Mensch. Ein Deutscher konsumiert 23-mal mehr Fleisch als ein Inder. Stellt man den Fleischverbrauch pro Kopf dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gegenüber, dann zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Landes und dem Ausmaß des Fleischkonsums, wie eine Grafik des Statistikportals ‚Our World in Data‘ zeigt.

Fleischkonsum steigt flächendeckend in fast allen Ländern der Welt
In den meisten Ländern ist der Fleischkonsum seit 1961 stark angestiegen. Insbesondere gilt das für eine Reihe von asiatischen Staaten, in denen sich der Verbrauch von einem niedrigen Niveau ausgehend vervielfacht hat: In China verbrauchen die Menschen heute pro Kopf 17-mal so viel Fleisch- und Wurstwaren wie 1961, in Südkorea sind es 16-mal so viele, in Japan und Vietnam 5-mal so viele. In Europa ist der Fleischkonsum ebenfalls in jedem einzelnen Land gestiegen, wenn auch nicht ganz so stark wie im asiatischen Raum. In Spanien und Portugal verbrauchen die Menschen heute 4-mal so viele Fleisch- und Wurstwaren. In Deutschland ist der Verbrauch seit 1961 um 37 Prozent gestiegen, in Österreich um 33 Prozent und in der Schweiz um 19 Prozent.
Es gibt auch eine Reihe von Ländern, in denen der Fleischkonsum seit den 1960er Jahren zurückgegangen ist. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um sehr arme Länder. So ist der jährliche Verbrauch etwa in Afghanistan, Elfenbeinküste und Madagaskar deutlich gesunken. In der Mongolei, die 1961 mit 145 Kilogramm pro Kopf beim Fleischkonsum an der Spitze stand, essen die Menschen heute noch 88 Kilogramm Fleisch, also 39 Prozent weniger. Von den wohlhabenden Staaten verzeichnen lediglich zwei einen Rückgang – in den Vereinigten Arabischen Emiraten sank der jährliche Fleischkonsum um 17 Prozent auf 62 Kilogramm, in Neuseeland um 6 Prozent auf 101 Kilogramm pro Kopf.
In Japan wird pro Kopf nur halb so viel Fisch verbraucht wie in Island
Noch größere regionale Unterschiede gibt es beim Verbrauch von Meerestieren. Hierzu zählen Fische aber auch etwa Meeresfrüchte und im Meer lebende Säugetiere. Am größten ist der Verbrauch in Island. 91 Kilogramm stehen dort pro Kopf zum Verzehr zur Verfügung. Es folgen eine Reihe von Inselstaaten und am Meer gelegenen Staaten, viele davon aus Asien und Europa. Unter den asiatischen Staaten mit dem größten Fischverbrauch sind Hongkong mit 71 Kilogramm, Malaysia mit 58 Kilogramm, Südkorea mit 55 Kilogramm aber auch Indonesien, China und Vietnam. Japan, dem aufgrund von Sushi und anderen lokalen Speisen eigentlich ein besonders hoher Fischkonsum nachgesagt wird, kommt auf 45 Kilogramm pro Kopf und damit gerade einmal auf die Hälfte des Pro-Kopf-Verbrauchs von Island.
Innerhalb von Europa ist der Fischkonsum sehr unterschiedlich verbreitet. Neben Island verzeichnen auch Portugal mit 57 Kilogramm, Norwegen mit 51 Kilogramm und Spanien mit 42 Kilogramm einen hohen Fischkonsum. Es gibt aber auch europäische Länder, in denen Fisch so gut wie keine Rolle spielt: Die meisten osteuropäischen Länder und die Balkanstaaten kommen nur auf einen Bruchteil dieser Werte. Die Deutschen essen 13 Kilogramm Meerestiere im Jahr, die Österreicher 14 Kilogramm, die Schweizer 17 Kilogramm.
Den niedrigsten Fischkonsum gibt es weltweit in solchen Staaten, die selbst keinen Zugang zum Meer haben. Mit 250 Gramm pro Einwohner ist der Verbrauch in Afghanistan am niedrigsten. Auch die anderen zentralasiatischen Republiken wie Usbekistan, Tajikistan und die Mongolei haben vergleichbar niedrige Werte.

Der Fischkonsum ist in fast allen Ländern der Erde seit 1961 deutlich gestiegen. Am stärksten hat der Verbrauch in wenig entwickelten Ländern zugelegt. So liegt der Verbrauch in Ruanda 44-mal so hoch und in Niger 33-mal so hoch wie Mitte des letzten Jahrhunderts. In Europa fiel das Wachstum sehr unterschiedlich aus – in Irland und Ungarn besonders stark, in Großbritannien und Portugal besonders schwach. In Deutschland ist der Konsum von Meerestieren seit 1961 um 34 Prozent gestiegen, in Österreich um 100 Prozent, in der Schweiz um 122 Prozent.
Es gibt nur ein wohlhabendes Industrieland, in dem der Fischkonsum pro Kopf in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist: In Japan sank der Verbrauch von 51 Kilogramm auf 45 Kilogramm und somit um 10 Prozent.
Massenhafter Milchkonsum ist ein Phänomen der westlichen Industriestaaten
Während es beim Fleisch- und beim Fischkonsum keinen klaren Trend zwischen den einzelnen Weltregionen gibt und sich die Unterschiede eher am Wohlstandsniveau und beim Fisch zusätzlich an der Nähe zum Wasser festmachen, hat der Milchkonsum einen klaren regionalen Fokus: Der Konsum von Kuhmilch ist im Wesentlichen ein europäisches Phänomen. Von den 25 Ländern mit dem größten Verbrauch an Milchprodukten liegen 23 in Europa.
Auf den höchsten Verbrauch kommt Finnland mit 458 Kilogramm Milchprodukten pro Einwohner und Jahr. Darauf folgen einige kleinere Staaten aus dem Balkan und dem Baltikum. Einen ebenfalls hohen Milchkonsum haben die Niederlande mit 340 Kilogramm, Dänemark mit 307 Kilogramm und Schweden mit 304 Kilogramm. Unter den deutschsprachigen Staaten ist der Verbrauch in der Schweiz mit 311 Kilogramm am höchsten. In Deutschland sind es 268 Kilogramm und in Österreich 231 Kilogramm.
Bei den nicht-europäischen Staaten stechen die USA mit 255 Kilogramm und Australien mit 219 Kilogramm pro Kopf heraus. Jenseits der westlichen Industriestaaten fällt der Verbrauch von Milchprodukten deutlich ab. Am stärksten ist er noch in Zentralasien und in Teilen Lateinamerikas. In Südostasien sowie in Afrika spielt Milch in der Ernährung kaum eine Rolle. Die Chinesen verbrauchen pro Kopf 24 Kilogramm Milchprodukte pro Jahr. Ein Finne isst also rund 19-mal so viel Milchprodukte wie ein Einwohner Chinas.
Diese Zahlen spiegeln die Tatsache wider, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung Laktose aus Milch nicht richtig verarbeiten kann, weil im Erwachsenenalter ein dafür erforderliches Enzym nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist. Das Auftreten von Laktoseintoleranz ist höchst unterschiedlich verteilt: Während das in Europa nur 5 bis 15 Prozent der Menschen betrifft, sind in Teilen Asiens und Afrikas bis zu 90 Prozent der erwachsenen Menschen laktoseintolerant. Was allerdings viele Apologeten des Milchkonsums nicht davon abhält, immer wieder zu behaupten, der Mensch brauche auch im Erwachsenenalter Nährstoffe aus der Milch anderer Spezies, weil er sich sonst nicht richtig entwickeln könne.

Die größten Wachstumsraten beim Milchverzehr verzeichnen die asiatischen Länder. Die Raten sagen aber nicht viel aus, wenn man die absoluten Zahlen dahinter anschaut: In Südkorea ist der Milchkonsum pro Kopf von 0,6 Kilogramm auf 18 Kilogramm gestiegen, ist also rund 30-mal so hoch wie 1961. Verglichen mit den europäischen Ländern ist das nur Wachstum von einem äußerst niedrigen Niveau auf ein niedriges Niveau. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen asiatischen Ländern.
Von der Masse her fand das Wachstum vor allem in den europäischen Ländern statt. In Portugal hat der jährliche Milchverbrauch seit 1961 um 155 Kilogramm pro Person zugenommen, in Rumänien um 130 Kilogramm, in Griechenland um 127 Kilogramm. In Finnland, das Land mit dem derzeit größten Milchverbrauch, lag das Wachstum ’nur‘ bei 28 Prozent, das entspricht allerdings einer Steigerung des Milchkonsums um 99 Kilogramm pro Einwohner und Jahr.
Anders als beim Fleisch- oder Fischkonsum gibt es bei Milchprodukten auch eine relevante Zahl von großen Ländern, in denen der Verbrauch pro Kopf in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Zum Teil eher moderat, wie etwa in den Vereinigten Staaten mit -4 Prozent und Großbritannien mit -2 Prozent. Zum Teil aber auch deutlich, zum Beispiel in Australien mit -10 Prozent, in Südafrika mit -20 Prozent und in Neuseeland mit -41 Prozent. Dass Milchkonsum vor allem ein europäisches Phänomen ist, hat sich also in den vergangenen Jahren weiter verstärkt.
Größter Einflussfaktor bei der Entwicklung des Fleischverbrauchs ist der Wohlstand
Die Entwicklung des Fleisch-, Fisch- und Milchkonsums verläuft weltweit also sehr unterschiedlich, im Wesentlichen ist der Konsum aber stark gestiegen. Wichtigster Einflussfaktor ist der Wohlstand, denn der Konsum von Tierprodukten ist dort besonders hoch, wo es den Menschen wirtschaftlich gut geht. Auch gewachsen ist der Konsum von tierischen Produkten vor allem dort, wo mehr Menschen zu Wohlstand gelangt sind. Aber auch in den klassischen Industrieländern wie Deutschland ist der Pro-Kopf-Konsum von Tierprodukten weiter gestiegen. Schon in den 1960er Jahren haben die Menschen hier mehr Fleisch gegessen als nur den häufig angesprochenen Sonntagsbraten, doch seitdem ist der Wert noch einmal deutlich hochgegangen.
Neben dem Wohlstandsniveau kommen aber auch andere Gründe zum Tragen: etwa die Verfügbarkeit von tierischen Produkten in bestimmten geografischen Lagen, die Unverträglichkeit von Milchprodukten in weiten Teilen der Welt als auch kulturelle und religiöse Faktoren. So unterscheiden sich der Verbrauch tierischer Produkte in China und Indien sehr grundsätzlich, obwohl die beiden Staaten unmittelbar benachbart sind.

Die Fleisch- und Fischproduktion steigt schneller als die Weltbevölkerung
Die weltweite Bevölkerung betrug im Jahr 1961 rund 3 Milliarden Frauen und Männer. Bis 2017 hat sich die menschliche Bevölkerung mehr als verdoppelt auf 7,6 Milliarden Menschen. Die globale Milchproduktion ist in derselben Zeit etwa gleich stark gewachsen wie die Weltbevölkerung, wenn auch sehr unterschiedlich in den einzelnen Weltregionen. Sie ist insgesamt um 145 Prozent gestiegen, von 344 Millionen Tonnen auf 842 Millionen Tonnen.
Die globale Fleischproduktion ist hingegen deutlich stärker gewachsen als die Weltbevölkerung. Sie hat sich seit den 1960er Jahren fast verfünffacht – von 70 Millionen Tonnen im Jahr 1961 auf 330 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Auch die Fischproduktion ist überproportional gestiegen und hat sich von knapp 40 Millionen Tonnen auf weit über 150 Millionen Tonnen mehr als verdreifacht.
Ausgewählte Quellen: