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Lachs in Avocado als Titelbild für Artikel über industrielle Lachszucht

Massentierhaltung im Wasser: Wie die industrielle Lachszucht in Aquakulturen funktioniert

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16. Januar 2021

Es gab eine Zeit, in der war Lachs eine Delikatesse, die nur selten auf den Tisch kam und die sich auch nicht jeder leisten konnte. Heute ist Lachs ein billiges Massenprodukt wie Schweinefleisch und Rindfleisch. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Art der Herstellung fundamental verändert hat. Lachs wird heute in erster Linie nicht mehr gefangen, sondern in industrieller Massentierhaltung im Wasser gezüchtet. 

Ebenso wie die Intensivtierhaltung an Land ist das nicht nur ethisch fragwürdig, sondern hat auch katastrophale Folgen für lokale Ökosysteme und für die Gesundheit. Die Lachszucht in Fischfabriken war vielleicht als nachhaltige Lösung für das Problem der Überfischung gedacht, schafft aber mehr Probleme als sie löst. 

Kein Fisch kommt in Deutschland so häufig auf den Tisch wie Lachs 

Lachs gehört heute sowohl in Europa als auch in den USA zu den beliebtesten Fischsorten. Ob als Lachsfilet, Räucherlachs oder Sushi: Kein Fisch wird in Deutschland so viel gegessen wie Lachs. Wegen des Geschmacks, aber auch weil der gezüchtete Lachs billiger ist als frei lebende Arten wie Heilbutt oder Kabeljau. Der jährliche Lachskonsum pro Kopf liegt in Deutschland bei fast drei Kilogramm.

Bis in die 1970er Jahre hinein wurde fast ausschließlich gefangener Wildlachs gegessen. Zuchtlachs, wie man ihn heute vor allem zu kaufen bekommt, hat bis dahin keine Rolle gespielt. Doch mit der rasant wachsenden Nachfrage schrumpfte die Zahl der frei lebenden Lachse und in der Folge stieg auch der Preis. Wildlachs wurde seinerzeit zum Luxusprodukt und war zunehmend denen vorbehalten, die es sich leisten konnten. 

In der Folge setzte eine Industrialisierung der Lachsproduktion ein. Lachs wurde nicht mehr nur in der Natur gefangen, sondern in großen Fischfarmen gezüchtet. Mittlerweile stammen rund 90 Prozent des weltweit verzehrten Lachses aus sogenannten Aquakulturen. 2019 wurden weltweit mehr als 2 Millionen Tonnen Zuchtlachs in solchen Fischfarmen ‘hergestellt’.

Der in Deutschland gegessene Lachs stammt fast ausschließlich aus norwegischen Fischfabriken. Das Land ist mit Abstand die Nummer Eins bei der Lachszucht. Von den weltweit mehr als 2 Millionen Tonnen stammen allein 1,2 Millionen Tonnen aus Norwegen. Nach der Erdölproduktion ist die Lachszucht dort der rentabelste Wirtschaftsbereich. In den norwegischen Aquakulturen werden im industriellen Maßstab in mehreren Tausend Zuchtbehältern rund 400 bis 500 Millionen Lachse gemästet.  

Lachsfilets

Lachs ist der in Deutschland meistgegessene Fisch | Kristina Blokhin @ Adobe Stock 

Strukturwandel hin zur Aquakultur

Nicht nur Lachs, auch andere Wassertiere werden immer häufiger in Aquakulturen gehalten. Das gilt sowohl für im Meer lebende Tiere wie Thunfische und Doraden als auch für Süßwasserfische wie Karpfen oder Forellen. Während die Schwerpunkte der Lachszucht vor allem in Norwegen und Chile liegen, sind Aquakulturen ansonsten vor allem in Asien zu finden. Am meisten Fischfabriken gibt es in China.

Ebenso wie die moderne Massentierhaltung an Land ist die Haltung von Fischen in Aquakulturen eigentlich eine recht neue Erfindung. Den Durchbruch hatte diese Zuchtform in den 1970er Jahren und verbucht seitdem Jahr für Jahr starke Zuwachsraten. Fast das gesamte Wachstum in der Fischproduktion kommt von den Fischfabriken: In den letzten zehn Jahren ist die weltweite Fischzucht in Aquakulturen um 50 Prozent gestiegen. Nach Angaben der für Fischerei zuständigen Unterorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stammt inzwischen rund die Hälfte aller verzehrten Fische aus Aquakulturen.

Infografik: Aus Aquakultur stammt inzwischen fast so viel Fisch wie aus dem Fischfang

‘Blaue Revolution’ – können Aquakulturen gegen Überfischung helfen?

Laut FAO sind gegenwärtig 33 Prozent aller weltweiten Fischbestände überfischt und weitere 60 Prozent maximal ausgeschöpft. Diese Entwicklung hat sich schon in den 1960er und 1970er Jahren angedeutet. Die Aquakulturen waren als Antwort auf dieses Problem gedacht. Mit dem rasanten Wachstum von künstlich angelegten Fischfarmen wollte man der Überfischung und dem Artensterben in den Gewässern entgegenwirken. Dabei wurde die Strategie, einen größeren Teil des menschlichen Eiweißbedarfs durch Tiere aus Aquakulturen zu decken, bewusst von der Weltbank und der FAO unter dem Stichwort ‘Blaue Revolution’  vorangetrieben.

Die Massentierhaltung im Wasser wurde also lange als Lösung für das Problem der Überfischung gesehen. Dementsprechend positiv wird die Industrie auch dargestellt: Da die meisten Lachsfarmen in den malerischen norwegischen Fjorden liegen, werden die Netzgehege auf Fotos meist entsprechend romantisierend präsentiert – vor der Kulisse von idyllischen Gebirgslandschaften, gelegentlich auch im Sonnenuntergang. Auf den Bildern scheint es so, als wenn sich die Aquakulturen ohne Schaden für die Natur in die Landschaft fügen. Tatsächlich ist das, was in den Tierfabriken vor sich geht, aber ziemlich unappetitlich für die dort gefangenen Tiere und für das gesamte Ökosystem. 

Eine Fischfabrik, in der Lachszucht in Aquakulturen betrieben wird

Auf Fotos werden Lachsfarmen meist romantisch verklärt | Andrey Armyagov @ Adobe Stock 

Vom Süßwasser ins Meerwasser – Tiertransporte in der Lachszucht 

Der Atlantische Lachs ist eine faszinierende Tierart mit einigen Besonderheiten, die auch in der Zucht beachtet werden müssen. In dem gesamten Prozess muss die industrielle Lachszucht nachvollziehen, dass sich Lachse von Süßwasser auf Meerwasser umgewöhnen. Daher gibt es ähnlich wie bei der Intensivtierhaltung an Land auch bei der Lachszucht Tiertransporte. 

In der freien Natur schlüpfen Lachse in Süßgewässern, wo sie auch die ersten Monate ihres Lebens verbringen. Sie stellen sich dann allmählich auf Meerwasser um und schwimmen allein oder in Schwärmen flussabwärts ins Meer. Dort wachsen sie auf und verbringen den größten Teil ihres Lebens. Am Ende kehren sie zum Laichen in ihren Heimatfluss zurück. Dabei schwimmen die Lachse zum Teil mehrere tausend Kilometer gegen den Strom und überwinden große Hindernisse wie Wasserfälle und Stromschnellen. Sicher hast du schon mal – zumindest auf Bildern – Lachstreppen gesehen, die von Menschen manchmal errichtet werden, damit frei lebende Lachse in ihr Heimatgewässer zurückschwimmen können. Die Navigation in ihre Heimat gelingt ihnen mithilfe ihres exzellenten Geruchssinns.

Auch Zuchtlachse werden als Süßwasserfische geboren. Sie werden nicht durch natürliche Paarung von Männchen und Weibchen erzeugt, sondern kommen aus der Retorte. Nach dem Schlüpfen werden die jungen Lachse noch etwas mehr als einen Monat in einem Warmwasserbecken gehalten. Anschließend werden sie in Süßwassertanks umgesiedelt, wo sie die ersten Monate ihres Lebens verbringen. 

Sind die Tiere dann in dem Alter, in dem sich die Lachse auf Meerwasser umstellen, werden sie in große Netzgehege im Meer umgesetzt. Dort werden die Lachse gemästet, bis sie rund 500 Gramm wiegen und damit ihre sogenannte ‘Schlachtreife’ erreicht haben. Dann werden sie nochmals verladen und mit Schiffen zur Schlachtung und Zerlegung transportiert. Sie werden also mehrmals zwischen arbeitsteilig arbeitenden Stationen transportiert. Ganz wie im kurzen Lebenszyklus eines Schweines. 

Eine Lachstreppe in einem Fluss

Lachstreppen helfen frei lebenden Lachsen dabei, in ihren Heimatfluss zurückzukehren | Ints @ Adobe Stock 

Viele zehntausend Lachse werden auf engstem Raum gezüchtet

Die schwimmenden Netzgehege, in denen die Lachse gemästet werden, haben mitunter einen Durchmesser von 50 bis 70 Metern und reichen zwischen 20 und 50 Meter tief in das Wasser hinein. Eine typische Lachsfarm besteht aus mehreren dieser Netzgehege.

Auf die natürlichen Bedürfnisse und die Lebensbedingungen der Tiere wird bei der Massentierhaltung im Wasser ebenso wenig Rücksicht genommen wie an Land. Die ‘Besatzdichte’ in den Netzgehegen ist hoch, um mit den vorhandenen Ressourcen möglichst viel Fisch ‘herzustellen’. In einem Kubikmeter Wasser darf die Industrie 25 Kilogramm Lachs unterbringen. In den Netzgehegen schwimmen je nach Größe jeweils mehrere zehntausend Lachse. 

Die Haltung vieler tausend Fische auf engstem Raum führt dazu, dass diese permanentem Stress ausgesetzt sind. Das beeinträchtigt ihr natürliches Schwimmvermögen, führt zu Verhaltensstörungen und ist ein perfekter Nährboden für die Ausbreitung von Krankheiten und Verletzungen. Viele der Fische haben größere Wunden oder sind von Pilzen befallen. Häufig leiden sie an Lausbefall und anderen leicht übertragbaren Krankheiten. Ein Experte vom Forschungszentrum für Aquakultur in Bergen weist darauf hin, dass aufgrund dieser Bedingungen einer von fünf Lachsen während der Aufzucht stirbt. 

Ein Netzgehege im Wasser aus der Lachzucht in Aquakulturen

In Netzgehegen werden die Lachse auf engstem Raum gehalten | Ludmila @ Adobe Stock 

Die rosa Färbung wird in der Massenzucht künstlich erzeugt

In den Netzgehegen werden die Fische maschinell gemästet. Das Futter wird in der Regel mit Versorgungsschiffen angeliefert. In die Netzgehege kommt es durch Futterarme, die von den Schiffen oder von Land aus gesteuert werden.  

In freier Wildbahn ist der Lachs eigentlich ein Raubfisch, der sich von anderen Fischen und Schalentieren ernährt. In der Zucht wird ihm das ausgetrieben und ein großer Teil des Futters durch pflanzliche Kost ersetzt. Am Anfang des Lebens ist das noch anders. Da werden die Zuchtlachse wie Wildlachse vor allem mit Fischmehl und Fischöl gefüttert, zum Beispiel von Heringen, Makrelen oder Sardinen.

Wenn die Lachse dann in die Mastgehege im Wasser umgesetzt werden, verändert die Industrie die Zusammensetzung des Futters. Der Anteil von Fischmehl und Fischöl in den Pellets wird drastisch zurückgefahren, und die Tiere werden – entgegen ihrer Natur – zu 70 bis 80 Prozent pflanzlich ernährt. Zum einen, weil es billiger ist. Zum anderen, weil für die Fütterung der enormen Bestände in der Massenzucht schlicht nicht genug andere Fische da sind. Dennoch werden für die Herstellung von einem Kilogramm Lachs zwischen drei und fünf Kilogramm andere Fische gefangen und getötet.

Diese widernatürliche Ernährung des Zuchtlachs hat viele Auswirkungen. Eine davon ist, dass sich die Farbe des Fleisches verändert: Die typische rosa-orange Farbe kommt daher, dass Lachse in freier Wildbahn viele Garnelen und Krebstiere verzehren. Dadurch nehmen sie den natürlichen Farbstoff Astaxanthin auf, der ihnen die rötliche Färbung verleiht. Tun sie das nicht, dann nimmt das Fleisch auch nicht die typische Lachsfarbe an und sieht eher weiß bis grau aus. Damit der vorwiegend pflanzlich ernährte Zuchtlachs im Supermarkt trotzdem eine vergleichbare Färbung wie frei lebender Lachs aufweist, hilft die Industrie nach und mischt ordentlich synthetische Lebensmittelfarbe ins Futter.

Infografik: Fischfutter in der Lachszucht besteht zu 70 bis 80 Prozent aus Pflanzenfutter

Was hat eine Lachsfarm in Norwegen mit dem Regenwald in Brasilien zu tun?

Die Massentierhaltung im Wasser hat nicht nur Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme, sondern auch auf das Weltklima. Denn der pflanzliche Teil des Fischfutters besteht – wie in der Landwirtschaft – zu einem großen Teil aus billigem, häufig genmanipuliertem Soja aus Südamerika. In Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern brennen bekannterweise die Regenwälder, um neue Flächen für den Anbau von Tierfutter und Weideflächen zu schaffen. Das dort in Monokulturen angebaute Soja wird dann nach Norwegen verschifft, um dort an Fische verfüttert zu werden, die dann wiederum als Lachsfilets nach Deutschland verschifft werden.

Damit trägt die Lachszucht nicht unerheblich zur Verschärfung der globalen Klimakrise bei. Denn die klimaschädliche Wirkung der Tierindustrie besteht eben nicht nur in Methan rülpsenden Kühen, sondern auch im Raubbau an den Regenwäldern. Bei den Brandrodungen selbst werden Unmengen von CO₂ ausgestoßen, und die verschwundenen Bäume können dann kein CO₂ mehr aus der Luft entnehmen.

Es ist schon absurd: In den Kommentarspalten im Netz hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass der brennende Regenwald etwas mit dem Tofukonsum von Veganerinnen und Veganern zu tun hat. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen: Der Tofu im deutschen Supermarkt kommt fast immer aus biologischem Anbau in Deutschland oder Nachbarländern. Zwischen der Massentierhaltung in Aquakulturen und dem Raubbau an den Regenwäldern hingegen gibt es einen direkten Link, der fällt nur in der öffentlichen Debatte meist unter den Tisch.   

Der Mythos vom gesunden Lachsfilet

Lachs wird – wie Fisch im Allgemeinen – gerne zugeschrieben, gesund für den menschlichen Körper zu sein. Schließlich enthalte Lachs ja wertvolle Omega-3-Fettsäuren, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen und den Cholesterinspiegel senken sollen. Für Wildlachs mag das zutreffen, nicht jedoch für den Zuchtlachs aus den Aquakulturen. 

Auch dies hat mit der Umgewöhnung auf pflanzliche Nahrung zu tun: Je stärker der Lachs mit Soja und anderem pflanzlichen Futter ernährt wird, desto weniger gesunde Omega-3-Fettsäuren enthält er. Denn wie der Mensch nimmt auch der Lachs seine Omega-3-Fettsäuren über die Nahrung auf. 

Zuchtlachs enthält wenig Omega-3-Fettsäuren, dafür aber jede Menge Omega-6-Fettsäuren. Diesen fehlen nicht nur die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Omega-3-Fettsäuren, obendrein blockieren sie auch noch die positive Wirkung der Omega-3-Fettsäuren. Wer gesunde Omega-3-Fettsäuren sucht, findet diese auf jeden Fall eher in Leinsamen, Chiasamen und Walnüssen als in industriell erzeugtem Zuchtlachs. 

Die zweifelhafte gesundheitliche Bilanz von Zuchtlachs kommt aber nicht nur durch fehlende Omega-3-Fettsäuren, sondern vor allem durch die zahlreichen Medikamente und Chemikalien, die bei der Massentierhaltung im Wasser eingesetzt werden.

Über viele Jahrzehnte war das Hauptproblem der Einsatz von Antibiotika. Diese wurden nötig, weil sich in der Enge der Netzgehege Infektionskrankheiten besonders schnell verbreiten. Inzwischen ist man in der norwegischen Lachszucht dazu übergegangen, die Tiere im jungen Alter zu impfen. Wenn die Lachse ca. handgroß sind, werden sie durch das Sortiersystem herausgefiltert, betäubt und per Hand gegen mehrere Krankheiten geimpft. Danach geht es wieder zurück ins Netzgehege. Dieser aufwendige Schritt hat es ermöglicht, den Einsatz von Antibiotika deutlich zurückzufahren. Vor 30 Jahren wurden in Norwegen pro Tonne Fisch noch 5.000 Gramm Antibiotika gebraucht, inzwischen sind es weniger als 1 Gramm pro Tonne.

Das Herausfiltern der Impfkandidaten erfolgt über ein Röhrensystem, in dem die Fische nach Größe sortiert werden. Über das Röhrensystem werden die Fische durch Schläuche aus den Netzgehegen gesogen und nach Größe sortiert. Das kommt nicht nur bei der Impfung zum Einsatz, sondern wird generell zur Sortierung der Fische im gesamten Zuchtprozess verwendet.

Lachse werden in der Aquakultur mit einem Röhrensystem nach Größe sortiert

Mit Röhrensystemen werden die Lachse nach ihrer Größe sortiert | Adri @ Adobe Stock 

Ethoxyquin und Diflubenzuron: An Land verboten, im Wasser erlaubt

Während der Einsatz von Antibiotika in der norwegischen Lachszucht deutlich zurückgegangen ist, bleiben weitere Probleme durch den Einsatz von Chemikalien. Eines davon ist der Einsatz von Ethoxyquin. Der große Anteil an Pflanzenöl im Futter führt dazu, dass das Futter schneller verdirbt. Damit wir mit dem Lachs nicht verdorbene Pflanzenöle verzehren, mischt die Lachsindustrie dem Futter das chemische Konservierungsmittel Ethoxyquin bei. 

Als Pflanzenschutzmittel ist Ethoxyquin in der Europäischen Union seit Jahren verboten, weil es im Verdacht steht, krebserregend zu sein und Leberschäden zu verursachen. Als Beimischung zum Fischfutter war dieselbe Chemikalie lange kein Problem für den Gesetzgeber. Untersuchungen zeigen, dass so gut wie jeder Zuchtlachs Ethoxyquin enthält und dass das Pflanzenschutzmittel nach dem Verzehr von Zuchtlachs in menschlichen Körpern und auch in der Muttermilch von schwangeren Frauen nachgewiesen werden konnte. Seit 2020 ist Ethoxyquin in der EU als Zusatz zu Fischfutter verboten – allerdings gehört Norwegen bekanntermaßen nicht zur EU.

Ein weiteres Problem in der industriellen Massenzucht von Lachs ist die Verbreitung der sogenannten Lachslaus. Das sind Parasiten, die Lachse befallen können. Sie setzen sich auf der Haut fest und zerfressen den Körper der Lachse. Die Lachsläuse finden in den engen Netzkäfigen, in denen zehntausende Fische zusammengepfercht sind, perfekte Bedingungen für eine rasante Verbreitung vor. Eine Impfung gegen die Lachslaus gibt es nicht.

Der Gefahr durch Lachsläuse begegnen die ‘Lachsfarmer’ vor allem, indem sie Insektizide wie Diflubenzuron einsetzen, die dann auch im Lachs an der Fischtheke noch enthalten sind. Zwar gibt es Versuche mit Putzerfischen, die die Lachse von den Parasiten befreien sollen, diese waren aber bislang nicht so erfolgreich, dass die Industrie auf den Einsatz von Insektiziden verzichten kann. Diflubenzuron darf in der Massentierhaltung im Wasser eingesetzt werden, während es in der Landwirtschaft verboten ist. 

Ein Fisch aus der Lachszucht

Zuchtlachs enthält Chemikalien, die in der Landwirtschaft verboten sind | Jchizhe @ Adobe Stock 

Giftig nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Umwelt

Die Massentierhaltung im Wasser trägt auf vielfache Weise zu lokalen Umweltproblemen bei, denn schließlich bleiben die Substanzen ja nicht im Netzgehege, sondern breiten sich im Wasser aus. Das Fischfutter, die Medikamente und Chemikalien sowie die Exkremente der Lachse sinken auf den Meeresboden und führen dort zu einer lokalen Eutrophierung der Fjorde: Bakterien bauen die Stoffe ab und verbrauchen dabei so viel Sauerstoff, dass in dem Umfeld andere Lebewesen nicht mehr überleben können. Greenpeace schätzt, dass eine Fischfabrik mit 200.000 Fischen so viele Fäkalien produziert wie eine Stadt mit 62.000 Einwohnern. 

Jedes Jahr entkommen mehrere hunderttausend Zuchtlachse aus den Gehegen. Sie fressen den Wildlachsen das Futter weg und verbreiten Krankheiten aus den Aquakulturen. Vor allem aber verunreinigen sie das Genmaterial der Wildpopulationen. Denn Zuchtlachs hat einen komplett anderen Genpool: Er ist auf schnelle Gewichtszunahme programmiert, aber weniger intelligent, weniger beweglich und weniger widerstandfähig als frei lebender Lachs. Die Kontaminierung des Genpools gefährdet den Fortbestand der Art des Atlantischen Wildlachses, obwohl diese ja durch die Fischfabriken angeblich gesichert werden soll.  

Norwegen war mal das Land mit den weltweit größten Lachsbeständen. Heute gibt es dort noch rund 500.000 frei lebende Lachse. Dem stehen aber 400 bis 500 Millionen Zuchtlachse gegenüber, also rund tausendmal so viele. 

Auch andere Meeresbewohner wie Wale, Delfine, Haie, Seelöwen und Otter werden durch die Aquakulturen geschädigt. Sie verheddern sich in den Schutznetzen und Fallen rund um die Fischfabriken und verzehren mit Medikamenten und Chemikalien verseuchte Nahrung.

Trotz allem: Die Zeichen stehen auf Expansion

Die Regierung von Norwegen gibt trotz aller Probleme die Devise aus, die heimische Lachsproduktion bis 2050 zu verfünffachen. Doch inzwischen reicht der Tierindustrie die Lachszucht in den küstennahen Gebieten Norwegens nicht mehr aus. So haben international agierende Konzerne auch im entfernten Chile solche Tierfabriken errichtet. Im chilenischen Teil Patagoniens entstehen derzeit hunderte Lachsfarmen. Inzwischen ist das Land die Nummer Zwei in der weltweiten Lachszucht, und Lachs ist zum zweitwichtigsten Exportgut nach Kupfer geworden.

Die Umweltauswirkungen sind in Chile noch gravierender als in Norwegen und die Auflagen weniger scharf. In Chile und anderen südamerikanischen Gebieten gibt es überhaupt gar keine natürlichen Bestände von frei lebenden Lachsen. In den dortigen Gewässern haben sich ganz andere Ökosysteme entwickelt. Da der Zuchtlachs in den dortigen Gewässern eigentlich gar nicht überlebensfähig wäre, müssen dort Unmengen von Antibiotika eingesetzt werden, um die Tiere am Leben zu halten – nach Angaben von Greenpeace pro Lachs rund 700-mal so viele Antibiotika wie in Norwegen. Zudem brechen – wie in den norwegischen Fjorden – auch in Chile regelmäßig Hunderttausende Zuchtlachse aus den Fischfabriken aus und fressen den dort beheimateten Arten das Futter weg. Das zerstört das Ökosystem und die wirtschaftliche Existenzgrundlage der lokalen Fischer.

Neben der reinen geografischen Expansion des Modells Aquakultur arbeitet die Tierindustrie auch an strukturellen Neuerungen: Zum Beispiel an großen Fabrikschiffen, die wie Aquakulturen funktionieren, aber auf dem offenen Meer schwimmen. Zudem werden Konzepte für die Lachszucht an Land entwickelt: Durch die Verlagerung in geschlossene Kreislaufanlagen an Land sollen die gröbsten Eingriffe in die maritimen Ökosysteme vermieden werden. Da diese etwas nachhaltigeren Konzepte aber komplex und teuer sind, ist fraglich, ob sie sich gegenüber der billigen Massentierhaltung im Wasser durchsetzen. 

Und schließlich experimentieren Unternehmen an der ‘Optimierung’ des Lachs selbst: Das US-amerikanische Unternehmen AquaBounty forscht zum Beispiel daran, die Gene von Lachsen mit denen von Aalen zu kombinieren, um die Wachstumsgeschwindigkeit der Tiere zu verdoppeln. Folgerichtig nennt das Unternehmen seine Schöpfung auch ‘Frankenfish’. 

Infografik: Die Lachszucht in Aquakulturen ist in Norwegen und Chile am weitesten verbreitet

Fazit: Lachsfabriken schaffen mehr Probleme als sie lösen

Das richtige Mittel gegen Überfischung ist nicht, auf Fisch aus Aquakulturen umzusteigen, sondern den Fischkonsum deutlich einzuschränken oder einzustellen. Die Idee, Aquakulturen könnten das Problem der Überfischung lösen, hat sich als Illusion entpuppt. Denn die Fische in den Käfigen werden ja – zumindest zu einem Teil – mit gefangenen Fischen gefüttert. Weltweit wird jeder dritte gefangene Fisch zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet und als Futter in Fischfabriken eingesetzt. Und dort, wo nicht andere Fische verfüttert werden sondern Pflanzenfutter, ist es dasselbe in Monokulturen angebaute Sojafutter wie in der Massentierhaltung an Land, für das in Südamerika der Regenwald abgeholzt wird. 

Auch ansonsten ist diese Form der Massentierhaltung im Wasser in keiner Weise nachhaltig: 

  • Ethisch ist die Praxis höchst fragwürdig, da empfindungsfähige Lebewesen auf engstem Raum zusammengepfercht und für menschliche Bedürfnisse getötet werden. 
  • Ökologisch hat die Massentierhaltung im Wasser katastrophale Auswirkungen: Durch die Fischfabriken gelangen zahlreiche Fäkalien, Futterreste und Chemikalien ins Meer, die die Ökosysteme außer Balance bringen. Wenn die Fische aus den Zuchtgehegen ausbrechen und den heimischen Tieren das Essen wegfressen, geraten lokale Nahrungsketten unter Druck.  
  • Gesundheitlich ist Zuchtlachs höchst bedenklich, denn anders als häufig behauptet, enthält er nur wenig Omega-3-Fettsäuren, dafür aber zahlreiche giftige Stoffe, die selbst in der Massentierhaltung an Land verboten sind. 

Aber es schmeckt so gut… 

Du möchtest diese Form der Massentierhaltung im Wasser aus ethischen, ökologischen oder gesundheitlichen Gründen nicht unterstützen, hast aber trotzdem hin und wieder Appetit auf ein klassisches Räucherlachs-Gericht? Das schließt sich nicht aus.

Probiere doch mal eine vegane Alternative zum Räucherlachs auf Basis von Mohrrüben und Raucharoma. Das findet sich in dem einen oder anderen Biomarkt, lässt sich aber auch mit wenig Aufwand selbst zubereiten. Rezepte dazu findest du zum Beispiel bei Slowly Veggie oder Blueberry Vegan


Ausgewählte Quellen:

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