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Veganes Bullshit Bingo
Steak mit eingebranntem Bingo-Muster

Veganer und Vegetarier verbringen viel Zeit ihres Lebens damit, sich gegen die immer gleichen Mythen über Veganismus zu wehren, bevorzugt während der Mahlzeiten. Plötzlich werden alle möglichen Menschen zu Ernährungsberatern und Umweltschützern und käuen auf Halbwissen basierende Mythen und Vorurteile wieder, die sie mal irgendwo aufgeschnappt haben. Damit lässt sich ein ganzer Bullshit-Bingo-Zettel füllen.   

 

Veganes Bullshit-Bingo mit 24 Mythen über Veganismus
Weinende Paprika zur Illustration des Mythos, dass Pflanzen auch Gefühle haben!

Pflanzen haben auch Gefühle!

Einer der beliebtesten Mythen über Veganismus dreht den Spieß um und macht Veganer und Vegetarier zu gewissenlosen Pflanzenmeuchlern. Dabei haben Pflanzen nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen durchaus Mechanismen entwickelt, um mit ihrer Umwelt zu interagieren, zum Beispiel durch Duftmoleküle. Doch der Vergleich mit Tieren läuft ins Leere, denn anders als Menschen und andere Tiere haben Pflanzen kein Bewusstsein im eigentlichen Sinne und können keine Schmerzen empfinden. Dafür fehlen ihnen mindestens zwei wichtige Voraussetzungen, nämlich das zentrale Nervensystem und ein Gehirn, das solche Reize verarbeiten und negativ bewerten kann. Jenen Menschen, die dennoch Mitleid mit Pflanzen haben, sei aber versichert, dass eine pflanzenbasierte Ernährung trotzdem im Interesse der Pflanzenwelt seien dürfte. Denn für die Produktion eines tierischen Lebensmittels muss ein Vielfaches der Pflanzen sterben als bei rein pflanzlicher Kost. Egal ob am Ende der Nahrungskette ein Rinderburger oder ein Grünkernburger steht – es beginnt stets damit, dass die Energie der Sonne durch Pflanzen eingefangen und gespeichert wird. Bei der Nahrungskette mit tierischen Produkten geht allerdings ein Großteil der Energie auf dem Weg verloren. Für eine Kalorie im Seitanburger wird eine Kalorie aus angebautem Getreide aufgewendet, für eine Kalorie im Rinderburger werden hingegen sieben bis zehn Kalorien aus Futtermittel aufgewendet.

Teller mit Salatblatt zur Illustration des Vorurteils über den Veganismus, dass man nur noch Salat essen kann

Dann kann ich ja nur noch Salat essen!

Wer das Spektrum des theoretisch Essbaren an der Auswahl an Fertigpizzen im Supermarkt bemisst, wird in der Tat schnell verzweifeln. Wer jedoch bereit ist, nur ein klein wenig mehr Zeit und Mühe in seine Ernährung zu investieren, merkt schnell, dass eine pflanzliche Ernährung in der Praxis einfacher ist als gedacht. Die Natur bietet von Haus aus eine reiche Vielfalt an pflanzlichen Nahrungsmitteln. Von den mehr als 20.000 essbaren Pflanzenarten auf der Welt nutzt die Menschheit aber nur einen minimalen Bruchteil, so dass 90 Prozent unseres Essens auf weniger als 20 Pflanzenarten zurückgehen. Mit der richtigen Einstellung ist der Wechsel zu einer pflanzenbasierten Ernährung kein Verzicht sondern schlicht eine Umstellung: Das Internet ist voll mit veganen und vegetarischen Rezepten. Auch von den meisten liebgewonnenen Gerichten aus der Kindheit muss man sich nie so ganz verabschieden. Selbst für so eigenartige Speisen wie Eiersalat gibt es Mittel und Wege, um Geschmack und Konsistenz zu imitieren, falls einem das wichtig ist. In einem Punkt ist der Mythos der geringen Auswahl jedoch wahr: Nach wie vor ist auswärts essen für Vegetarier hart, für Veganer eine Zumutung. Erst recht, wenn man nicht gerade in Berlin-Mitte oder einer anderen Großstadt unterwegs ist. Doch zum einen lässt sich in vielen Restaurants – über die Karte hinaus – vieles machen, wenn man nur höflich fragt. Und zum anderen ist die geringe Auswahl auch kein Naturgesetz, sondern ändert sich in dem Maße, in dem die Nachfrage nach veganem und vegetarischem Essen steigt.

Tyrannosaurus zur Illustration des weit verbreiterten Mythos, dass wir Eckzähne haben und daher Raubtiere sind

Wir haben Eckzähne und sind nun mal Raubtiere!

Der Mensch ist von Natur aus weder Pflanzenfresser noch Fleischfresser, sondern gehört zur Gruppe der Allesfresser. Das heißt zunächst einmal nur, dass wir anatomisch dazu in der Lage sind, sowohl pflanzliche als auch tierische Lebensmittel aufzunehmen und zu verdauen. Dass wir für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zwingend tierische Lebensmittel essen müssen, ist ein gern gepflegter Mythos – aber falsch. In anderen Lebensbereichen kämen wir nie auf den Gedanken, aus der theoretischen Möglichkeit, etwas zu tun, eine Notwendigkeit dafür abzuleiten. Allesfresser zu sein war ein erheblicher evolutionärer Vorteil für die Spezies Mensch. Die Zeiten, in denen der Mensch manchmal darauf angewiesen war, Tiere zu töten und zu essen, sind aber definitiv vorbei. Heute ähneln die Menschen anatomisch viel stärker der Gruppe der Pflanzenfresser als der Gruppe der Fleischfresser, was Extremitäten, Magen-Darm-Trakt etc. betrifft. Am stärksten wird der Mythos vom Raubtier Mensch mit dem Argument genährt, wir hätten schließlich Eckzähne. Aber das ist Blödsinn. Unsere Eckzähne, die vor Jahrtausenden tatsächlich einmal Reißzähne waren, haben sich deutlich zurückgebildet. Wer heute noch meint, unsere rudimentären Eckzähne seien ein gutes Argument dafür, im Supermarkt ein Stück Lammfleisch zu kaufen, der sollte sich seine ach so gefährlichen Reißzähne einmal genauer im Spiegel anschauen und sich vorstellen, wie es wohl so wäre, damit ein Lamm zu reißen.

Tofublock mit Totenkopfsymbol zur Illustration des Vegan-Mythos, dass für Tofu der Regenwald abgeholzt wird

Für deinen Tofu wird der Regenwald abgeholzt!

Für den Anbau von Sojabohnen werden gigantische Landflächen geschaffen. Minute für Minute wird im großen Maßstab Regenwald abgeholzt und abgebrannt, vor allem in Brasilien, Argentinien und anderen südamerikanischen Ländern. Rund zwei Drittel der durch Brandrodung geschaffenen Flächen in Südamerika werden zu Anbauflächen für Sojabohnen. Dass der Räuchertofu-Block aus dem Supermarkt damit irgendetwas zu tun hat, ist aber ein besonders absurder Mythos! Das Soja für die Herstellung von Tofu, Tempeh, Sojamilch etc. stammt in der Regeln aus Bioanbau in Frankreich, Italien, Kanada etc. und ist garantiert frei von Gentechnik. Das Soja aus dem Raubbau an den Regenwäldern, das in der Regel auch noch genmanipuliert ist, landet nicht auf den Tellern von Veganern und Vegetariern, sondern wird als Kraftfutter in der Massentierhaltung verwendet. Überhaupt wird nur ein minimaler Bruchteil der weltweiten Sojaernte direkt von uns Menschen verzehrt, weit mehr als 90 Prozent landen in den Trögen der Tiere in der Intensivtierhaltung. Das Essen von Fleisch erzeugt also nicht nur unendliches Leid in den Ställen der Massentierhaltung, sondern zerstört auch den Lebensraum zahlreicher Arten in den tropischen Regenwäldern für immer – ganz zu Schweigen von den Folgen dieses Raubbaus für das Weltklima. Der Mythos, Veganer würden mit ihren Tofuschnitzeln und Tempehburgern den Regenwald zerstören, ist bei Licht betrachtet also nicht nur falsch, sondern obendrein ziemlich dreist.

Friedliche Kuh auf der Weide zur Illustration des Mythos vieler Fleischesser, das Fleisch würde aus artgerechter Haltung stammen

Ich esse ja nur Biofleisch aus artgerechter Haltung!

Grundsätzlich sind erste Schritte in Richtung einer pflanzlichen Ernährung besser als gar keine. Es ist ein gutes Zeichen, dass viele Menschen bereit sind, mehr Geld für ihre Ernährung auszugeben, wenn dadurch Tierleid etwas reduziert wird. Aber man sollte sich da nichts vormachen: Nur weil das Fleisch nicht aus der Tiefkühltruhe im Discounter ist, ist es nicht automatisch Biofleisch. Auch die Nackensteaks vom Fleischer des Vertrauens und das Entrecôte im Gourmetrestaurant stammen in der Regel aus der konventionellen Massentierhaltung. Nur 2 Prozent des Fleisches in Deutschland stammen aus biologischer Tierhaltung. Und selbst wenn es sich tatsächlich um ausgewiesenes Biofleisch handelt: Was heißt das überhaupt? Die Unterschiede zur konventionellen Tierhaltung sind in der Biohaltung eher graduell als prinzipiell, und der Weg zum Schlachter ist am Ende auch derselbe. Nur weil sie ein paar Quadratzentimeter mehr Platz haben und nicht mit Antibiotika vollgepumpt sind, werden aus eingesperrten Tiere keine glücklichen Tiere. Die Haltungsbedingungen sind vielleicht etwas erträglicher, aber am Ende gilt für die Tiere dasselbe wie in der konventionellen Massentierhaltung: Sie werden getötet und zu Nahrungsmitteln verarbeitet, lange bevor sie auch nur ansatzweise das Erwachsenenalter erreicht haben. Artgerecht im eigentlichen Sinne des Wortes ist das ganz sicher nicht.

Wurst mit einem V drauf zur Illustration des Vorwurfs, Veganer würden Fleischprodukte kopieren

Jaja, aber eine vegane Wurst essen…

Die Frage, warum viele Veganer und Vegetarier Ersatzprodukte für Fleisch und Wurst essen, scheint überzeugte Fleischesser sehr zu umtreiben. Auch manche in der Politik haben das offenbar als drängendes Problem identifiziert und arbeiten fleißig daran, solchen ‘Kopien’ einen Riegel vor zu schieben, so dass der vegane Linsenburger endlich nicht mehr Burger heißen darf. Dabei läuft das Argument völlig ins Leere, denn es vermischt eine ethische Diskussion mit einer Geschmacksdiskussion. Es hat ja niemand behauptet, dass alle Veganer und Vegetarier aus geschmacklichen Gründen vom Fleisch Abstand nehmen. Für die überwiegende Mehrzahl dürften es vor allem ethische oder ökologische Gründe sein, die sie dazu bewegen, keine Tiere zu essen. Und ob die ihr Erbsenprotein, Grünkern etc. nun in die Form eines Burgers, eines Sichelmonds oder eines Schmetterlings pressen, geht niemanden etwas an. Burger und Wurst sind ja zunächst einmal nur Zubereitungsformen, auch an Schweinen und Hühnern wachsen keine Schnitzel und Nuggets. Notwendig sind solche Ersatzprodukte für eine ausgewogene Ernährung aus pflanzlichen Nahrungsmitteln freilich nicht. Auch gesünder sind pflanzenbasierte Burger, Schnitzel und Nuggets nicht zwangsläufig, schließlich sind es meist ebenfalls hochverarbeitete Lebensmittel mit Zusatzprodukten. Doch solche Nachbildungen erleichtern vielen Menschen den Umstieg auf eine pflanzliche Ernährung, ohne dass sie von heute auf morgen auf liebgewonnene Gerichte verzichten müssen. Insofern sollte doch gelten: Warum mit Tierleid, wenn es mit kleinen geschmacklichen Abstrichen auch ohne geht?

Mann mit Hantel zur Illustration des Mythos über Veganismus, Veganer würden zu wenig Protein zu sich nehmen

Aber der Mensch braucht doch Protein!

Einer der hartnäckigsten Mythen über Veganismus ist, dass es auf diesem Weg nicht möglich sei, ausreichend Eiweiß zu sich zu nehmen. Schon mal gar nicht, wenn man auch noch Sport treibt und Muskeln aufbauen will. Tatsächlich enthalten Fleisch und Eier viel Protein. Doch das gilt auch für pflanzliche Lebensmittel. Das ist auch kein Wunder, denn schließlich stammt auch tierisches Protein ursprünglich aus Pflanzen. Linsen, Kichererbsen und andere Hülsenfrüchte liefern dem Körper viel hochwertiges Eiweiß. Auch Nüsse, Samen und Fleischersatzprodukte aus Soja und Lupinen sind sehr proteinreich. Selbst manche Obst- und Gemüsesorten enthalten Eiweiß. Mit einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung lässt sich der menschliche Grundbedarf an Proteinen problemlos decken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt pro Tag eine Eiweißzufuhr von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, das macht bei einem Gewicht von 75 Kilogramm einen Eiweißbedarf von 60 Gramm. Diese Menge erreicht man bereits mit einem einzigen Seitansteak à 80 Gramm oder – über den Tag verteilt – mit 50 Gramm Erdnussbutter am Morgen, 250 Gramm Hummus beim Mittagessen und 300 Gramm gekochten Linsen am Abend. Wer viel Sport treibt und Muskelmasse aufbaut, braucht nicht nur den Grundbedarf, sondern mehr Protein. Doch auch der Eiweißbedarf von Sportlern lässt sich komplett mit pflanzlichen Lebensmitteln decken. Zahlreiche Topathleten, wie etwa der Bodybuilder Patrik Baboumian, zeugen davon, dass auch mit einer pflanzlichen Ernährung sportliche Höchstleistungen möglich sind.

Hand voll Geld zur Illustration des Mythos, eine vegane Ernährung sei viel zu teuer

Vegan leben ist viel zu teuer!

Die Lebensmittelindustrie hat entdeckt, dass die Nachfrage nach veganen Produkten stetig steigt, und reagiert mit immer neuen Angeboten für die wachsende Zielgruppe. Fleischersatzprodukte, Superfoods, Shakes etc. werden in der Tat mit vergleichsweise hohen Preisen auf den Markt gebracht. Doch die pauschale Aussage, veganes Essen sei zu teuer, ist nur ein weiterer falscher Mythos über den Veganismus: Zunächst einmal werden die Preise perspektivisch sinken, je weiter vegane Produkte in die Mitte der Gesellschaft vorrücken und sich nicht mehr vorrangig an eine Biomarkt-Klientel richten. Zudem stimmt die Aussage auch nur dann, wenn man seine alte Ernährung im Wesentlichen beibehält und dabei massenhaft teure Ersatzprodukte und Fertiggerichte isst. Dafür gibt es aber keinen wirklichen Grund, denn seinen Nährstoffbedarf kann man auch mit preiswerten Grundnahrungsmitteln wie Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Brot decken, ohne dafür mehr Geld auszugeben. Und schließlich unterschlägt der direkte Vergleich zwischen einer Ernährung mit Tierprodukten und einer rein pflanzlichen Ernährung die enormen externen Kosten, die die Tierhaltung für die Gesellschaft und jeden einzelnen Steuerzahler verursacht. Zum einen wird Steuergeld mit irrwitzigen Subventionen direkt in das System der Massentierhaltung geleitet. Auch mit Verbrauchssteuern werden Tierprodukte subventioniert: Auf Kuhmilch zahlt der Kunde 7 Prozent Mehrwertsteuer, auf Hafer- und Sojamilch 19 Prozent. Vor allem aber wird Steuergeld da fällig, wo die Gesellschaft für die Folgekosten des Fleischkonsums aufkommen muss – für die Folgen des Klimawandels, für verseuchte Böden und Gewässer und für steigende Kosten im Gesundheitswesen.

Freiheitsstatue zur Visualisierung der Aussage, was ich esse sei meine persönliche Entscheidung

Was ich esse, ist meine persönliche Entscheidung!

Was wir essen, was wir unseren Lieben zu essen geben, was wir aus welchen Gründen auch immer nicht essen wollen, das sind in der Tat sehr persönliche Entscheidungen. Persönlich schon deshalb, weil unsere Ernährung unauflöslich mit vielen Erinnerungen und Traditionen verbunden ist. Diese Entscheidung kann und sollte einem von niemandem abgenommen werden. In der Realität ist es bei den meisten Menschen allerdings nicht so, dass sie sich umfangreich über Tierhaltung und die Alternativen informieren, um sich dann für eine Ernährung mit Tierprodukten zu entscheiden. Meist ist es vielmehr die bewusste oder unbewusste Entscheidung, gar nicht erst wissen zu wollen, was hinter den Mauern der Schlachthäuser und Mastbetriebe geschieht und welche Folgen die Massentierhaltung hat. Diese Interpretation von Freiheit mag legal sein, sonderlich sympathisch ist sie aber nicht. Und sonderlich verantwortungsbewusst auch nicht. Weder gegenüber den Milliarden von Tieren, die im System der Massentierhaltung jedes Jahr gequält und getötet werden. Ihnen bleibt jedes Recht auf Freiheit versagt. Noch gegenüber den anderen Menschen, die von den Folgen dieser Entscheidung unmittelbar betroffen sind, sei es durch massive Klima- und Umweltschäden oder durch die Risiken für die öffentliche Gesundheit durch Seuchen und multiresistente Keime. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt, hat Immanuel Kant gesagt. Wer sich bei der Rechtfertigung einer fleischlastigen Ernährung auf die persönliche Freiheit beruft, möge einmal darüber nachdenken, wie sich das mit der offensichtlichen Zerstörung von Lebensräumen verträgt, wodurch die Freiheit von anderen Menschen zunehmend eingeschränkt wird.

Milchkanne mit einem Knochen und einem Zahn zur Illustrierung des Mythos, dass der Verzicht auf Milch Knochen und Zähne schwächt

Verzicht auf Milch schadet Knochen und Zähnen!

Viele von uns sind seit früher Kindheit mit Mythen zum Thema Milch umrankt: Nur wer Milch trinkt, wächst zu stattlicher Größe heran – wer hingegen darauf verzichtet, kann sich wegen fehlender Kalziumzufuhr auf poröse Knochen und Zähne einstellen. In der Tat enthalten Milchprodukte wie Quark, Joghurt und Käse viel Kalzium. Der Mineralstoff erfüllt im Körper verschiedene wichtige Aufgaben, dazu gehört auch die Stärkung von Knochen und Zähnen. Gerade in der Lebensphase nach der Geburt ist das wichtig. Darum nehmen Säugetiere in dieser Phase auch wichtige Nährstoffe über die Muttermilch auf. Eine ganz andere Frage ist, ob es sinnvoll ist, dass der menschliche Körper auch über die Stillzeit hinaus Stoffe wie Kalzium über Milch aufnimmt – zumal wenn es sich um die Muttermilch anderer Spezies handelt. Tatsächlich zeigen Stoffwechselstudien, dass der Körper das Kalzium aus Milch gar nicht adäquat verarbeiten kann und dass hoher Milchkonsum eher das Gegenteil bewirkt. Denn Milch enthält neben Kalzium viel tierisches Protein und dieses führt zu einer Übersäuerung des Körpers. Um dem entgegenzuwirken, scheidet der Körper aufgenommenes Kalzium wieder aus. Unter dem Strich steht also eher ein Kalziumverlust. Folgerichtig kommen diverse Studien auch zu dem Ergebnis, dass das Erkrankungsrisiko für Knochenschwund (Osteoporose) in solchen Gesellschaften höher ist, in denen die Menschen viel Milch und Milchprodukte konsumieren. Der Kalziumbedarf eines Menschen lässt sich nach der Stillzeit ohne Weiteres durch natürliche Lebensmittel decken, für die keine Tiere gequält und getötet werden müssen. Hierzu zählen einige Gemüsesorten wie etwa Grünkohl, Brokkoli und Rucola sowie Nüsse und Samen. Auch Mineralwasser und Tofu können je nach Zusammensetzung gute Kalziumquellen sein. 

Zwei Figuren mit unbestimmten Geschlechtsmerkmalen zur Illustration des Vegan-Mythos, Soja würde den Hormonhaushalt durcheinanderbringen

Soja bringt die Hormone durcheinander!

Viele Männer haben zum Thema Fleisch ein ganz besonderes Verhältnis und setzen das Essen von toten Tieren gleich mit physischer Stärke und Potenz. Das spiegelt sich unter anderem in einem deutlich stärkeren Fleischkonsum: Während Frauen pro Woche 623 Gramm Fleisch zu sich nehmen, sind es bei Männern 1.071 Gramm. Zudem ist der Anteil der vegan oder vegetarisch lebenden Menschen unter den Frauen signifikant höher als bei Männern. In diesem Zusammenhang hält sich hartnäckig der Mythos, dass Tofu und andere auf Soja basierende Produkte den Hormonspiegel verändern und Männer verweiblichen können. In der Tat enthält Soja sogenannte Isoflavone, die eine gewisse strukturelle  Verwandtschaft zum weiblichen Sexualhormon, den Östrogenen, haben. Dieser Fakt wird häufig genutzt, um Tofu als Alternative zu Fleisch zu diskreditieren. Die Mythen reichen von der Behauptung, Soja lasse den Testosteronspiegel bei Männern sinken, bis hin zu Libidoverlust, Erektionsstörungen, Unfruchtbarkeit und ‘Männerbrüsten’. Solche Behauptungen werden durch keine ernstzunehmende Studie gestützt. Isoflavone haben eine sehr viel geringere Wirkung als Östrogen und sind daher nicht geeignet, den Körper von Männer in irgendeiner Art und Weise zu verweiblichen. Damit Isoflavone überhaupt eine nennenswerte Auswirkung auf den Hormonspiegel bekommen könnten, müsste der Betreffende über einen langen Zeitraum seinen täglichen Kalorienbedarf nahezu ausschließlich aus Soja decken. 

Achselzuckender Mann zur Visualisierung der Aussage, dass Tier sei ja eh schon tot

Jetzt ist das Tier ja schon tot, es wäre ja schade…

Wer sich vegan oder vegetarisch ernährt, hat vermutlich schon etliche Situationen erlebt, in denen im Freundeskreis oder in der Familie eine aufwendige fleischhaltige Mahlzeit serviert wird. Dann bleibt eigentlich nur die Wahl: Entweder einem Menschen vor den Kopf stoßen, der viel Zeit und Mühe in diese Mahlzeit gesteckt hat, oder die eigenen Grundsätze für diese eine Mahlzeit aussetzen, da ich an dem Schicksal des Tieres eh nichts mehr ändern kann. Wie man mit diesem Dilemma umgeht, muss letztlich jeder selbst entscheiden. Am Ende des Tages unterscheidet sich die Situation aber nicht grundsätzlich von der beim Einkaufen im Supermarkt. Es geht um Angebot und Nachfrage. Nicht um das tote Tier, das heute auf dem Teller liegt, sondern um das noch nicht geborene Tier, das morgen durch das gleiche brutale System getrieben wird, weil ich dem Markt das Signal sende: Passt schon, bitte mehr davon. Mit dem Essen eines bereits toten Tieres erweise ich nicht seinem ‘Opfer’ Respekt, sondern besiegele das Schicksal weiterer Artgenossen. Natürlich ist diese Verschwendung eines Lebens traurig und macht das kurze qualvolle Leben dieses Tieres noch sinnloser. Aber dafür ist nicht derjenige verantwortlich, der das Angebot zurückweist. Die Verschwendung von Tierleben ist leider ein fester Bestandteil in der Tierhaltung und -verwertung: Nach einer Berechnung der Heinrich-Böll-Stiftung verenden in Deutschland pro Jahr 43 Millionen Tiere bereits während der Aufzucht, und weitere 11 Millionen Tiere landen nicht auf den Tellern der Menschen, sondern im Hausmüll.

Bauer mit Heugabel zur Illustration des Mythos, dass Tierschutz den Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft schaden würde

Was ist mit den Bauern und den Arbeitsplätzen?

Gesellschaftlicher Wandel bedroht Arbeitsplätze. Dieses Argument kommt früher oder später bei jedem Thema auf den Tisch, in dem neue Technologien und Konsumgewohnheiten angestammte Branchen herausfordern. Auch in der Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten ein deutlicher Strukturwandel zu spüren, der die Bauernhöfe unter Druck setzt. Dabei sehen manche Menschen in Tierschutz, Umweltschutz und im steigenden Anteil von Veganern und Vegetariern eine Bedrohung für Arbeitsplätze in der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Das ist aber nur ein gern gepflegter Mythos. Die Gefahr für den Berufsstand der Bauern ist real, aber sie kommt ganz woanders her: In ihrem Bestreben, die Tierhaltung und die Produktion von Futtermitteln wirtschaftlich so effizient wie irgend möglich zu machen, hat die Ernährungswirtschaft ein System der Massentierhaltung aufgebaut, in dem der Bauer eigentlich kaum noch vorkommt. Der klassische Bauernhof aus der Fernsehwerbung ist industriellen Zucht- und Mastanlagen gewichen, in denen wenige Menschen zehntausende Tiere mit technischen Hilfsmitteln halten. So ist zum Beispiel die Schweinefleischproduktion in Deutschland seit dem Jahr 2000 deutlich angestiegen, in der gleichen Zeit haben sich aber vier von fünf Bauernhöfen aus der Schweinezucht zurückgezogen. Was den Kleinbauern wirtschaftlich das Genick bricht, sind nicht Tierwohl- und Umweltstandards, sondern dass sie immer weniger Geld für immer mehr Produktion bekommen. Die Antwort auf diesen Strukturwandel kann daher nicht sein, dass die – ohnehin niedrigen – Anforderungen an die Haltung von Tieren weiter geschliffen werden. 

Familie mit einem Kalb und einem Huhn zur Illustration des Mythos, dass für Milch und Eier keine Tiere sterben

Aber für Milch und Eier sterben ja keine Tiere!

Eine vegetarische Lebensweise ist ein deutlicher Schritt hin zu mehr Tierwohl und weniger Gesundheitsschäden durch die Fleischproduktion. Das in Abrede zu stellen, wie es gelegentlich von konsequenten Veganern getan wird, ist nicht sonderlich hilfreich. Denn es wirkt demotivierend auf Menschen, die Schritte in die richtige Richtung gegangen sind. Die große Mehrzahl der vegan lebenden Menschen ist auch nicht von heute auf morgen geworden, sondern in Etappen. Auf der anderen Seite bringt es aber auch nichts, bei Gesprächen über Ernährung und Tierhaltung so zu tun, als wenn für den Verzehr von Milch, Käse und Eiern keine Tiere sterben müssen. Der Mythos vom glücklichen Bauernhof gilt für sogenannte ‘Milchkühe’ und ‘Legehennen’ ebenso wenig wie für die Tiere in der Fleischproduktion. Die Milch einer Kuh fließt nur solange, wie sie jedes Jahr ein Kalb gebärt. Die Kälber werden entweder geschlachtet oder, wenn sie weiblich sind, ebenfalls zu Milchkühen aufgezogen. Zudem werden die Kühe nach rund fünf Jahren geschlachtet, weil der Milchertrag nachlässt. In der Natur hätten sie eine Lebenserwartung von mehr als 20 Jahren – sie haben also gerade einmal die Pubertät erreicht, wenn sie zur Schlachtbank geführt werden. Ähnlich verhält es sich bei Hühnern: Die männlichen Exemplare aus Legerassen lebt nur wenige Minuten bis Stunden, bevor sie geschreddert oder vergast werden. In Deutschland sind das mehr als 40 Millionen männliche Küken pro Jahr. Die weiblichen Exemplare werden dann für die Eierproduktion gehalten. Aber auch sie werden geschlachtet, wenn die Legeleistung nach etwa 1,5 Jahren nachlässt. Dabei könnten sie in der Natur fünf bis acht Jahre alt werden.

Evolution vom Affen zum Menschen zur Illustration des Mythos, dass wir ohne Fleischessen noch auf den Bäumen säßen

Ohne Fleisch säßen wir noch auf den Bäumen!

Es ist schon bezeichnend, wenn für die Rechtfertigung der massenhaften industriellen Tötung von Tieren die frühe Menschheitsgeschichte herhalten muss. In der Tat hat der Konsum von tierischen Produkten dem Menschen einen Vorteil in der Evolution verschafft. Zwar hat sich der Mensch in seiner Geschichte tendenziell eher pflanzlich ernährt. Doch in den Klimazonen mit starken saisonalen Temperaturschwankungen war es über viele Jahrhunderte hinweg schwierig, durch den Winter zu kommen. Denn Pflanzen konnten in dieser Zeit kaum angebaut werden, und es gab auch wenig Möglichkeiten, Vorräte anzulegen und haltbar zu machen. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte und Eier waren weniger stark dem Wechsel der Jahreszeiten unterlegen. Sie ermöglichten es so den Menschen, in solchen Regionen der Erde zu siedeln und zu überleben, in denen der kalte Winter es faktisch unmöglich machte, allein mit Pflanzenkost über die Runden zu kommen. Auch in Landschaften wie Gebirgen oder Steppen konnte die Menschheit so Fuß fassen. Aber mit der Weiterentwicklung der Zivilisation haben die Menschen zahlreiche Kulturtechniken zum Haltbarmachen von Lebensmitteln entwickelt: das Trocknen, das Einfrieren, das Einwecken, das Konservieren mit Zusatzstoffen, nicht zuletzt auch den Welthandel. Heute ist es ohne Weiteres möglich, komplett auf den Konsum von tierischen Produkten zu verzichten und den Nährstoffbedarf vollständig aus pflanzlichen Quellen zu decken. Ob das Essen von Fleisch den Menschen in der Evolutionsgeschichte einen Vorteil verschafft hat, mag für Anthropologen interessant sein. Für die Frage, ob es im Hier und Jetzt zu rechtfertigen ist, Tiere für die Bedürfnisse von Menschen auszubeuten und zu töten, ist sie aber ziemlich irrelevant. 

Strumpfmaske zur Illustration des Vorurteils, ein Vegan Lebensstil sei extrem

Vegetarisch geht noch, aber vegan ist zu extrem!

Wenn es ein Wort gibt, das die vegane Lebensweise passend beschreibt, dann ist das wohl konsequent. Das Wort extrem hingegen ist nur einen Katzensprung entfernt von Extremist und rückt den Veganismus semantisch in die Nähe von Fanatismus und Ökoterrorismus. Gleiches gilt für die Beschreibung von Veganismus als radikal. Dabei fallen mir im Zusammenhang mit Tierhaltung und Ernährung eine ganze Reihe von ziemlich extremen bzw. radikalen Dingen ein: Extrem ist es, ein Kalb direkt nach der Geburt von seiner Mutter zu trennen und zu schlachten, damit wir die für’s Kalb bestimmte Milch in unseren Cappuccino kippen können. Extrem ist es, die Hälfte aller geborenen Küken zu vergasen oder lebendig in den Schredder zu werfen, weil die männlichen Exemplare keine Eier legen können und für die Geflügelmast zu schwach gebaut sind. Extrem ist es, Milliarden von Tieren ohne Betäubung zu verstümmeln, damit sie sich nicht in der Enge ihres Gefängnisses gegenseitig zerfleddern. Extrem ist ein kulturelles Wertesystem, in dem es normal ist, um einen in einer TV-Serie verstorbenen fiktiven Hund zu trauern, aber keinerlei Gefühlsregung für Milliarden getötete Tiere in der Massentierhaltung zu zeigen. Extrem ist, dass in einer 500-Gramm-Packung gemischtem Hackfleisch die DNA von 150 Schweinen und 60 Rindern zusammengemanscht ist. Gänsestopfleber, Froschschenkel und Haiflossensuppe – alles ziemlich extrem. Jene Menschen extrem zu nennen, die da nicht mitmachen und sich gegen Gewalt und Töten entscheiden, stellt die Dinge völlig auf den Kopf.

Afrikanisches Kind vor einer leeren Schüssel zur Illustration der Aussage, dass die Kinder in Afrika froh wären, wenn sie Fleisch hätten

Die Kinder in Afrika wären froh, wenn…

Von den 7,8 Milliarden Menschen, die auf der Erde leben, müssen mehr als 800 Millionen Menschen täglich hungern, vor allem in Asien und Afrika. Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen sterben jedes Jahr rund 3 Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von Unterernährung. In jeder einzelnen Minute kommen noch einmal 155 Menschen zur Weltbevölkerung hinzu, die künftig ernährt werden müssen. Dabei ist Fleischkonsum nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Eine der Hauptursachen für den Welthunger ist die Nutzung von landwirtschaftlichen Anbauflächen für die Tierhaltung. 70 Prozent des weltweiten Getreideanbaus wird nicht etwa zur Ernährung von Menschen verwendet, sondern zum Mästen von sogenannten Nutztieren. Diese werden wiederum von Menschen gegessen, allerdings mit gewaltigen Effizienzeinbußen: Der Umweg über das Tier führt zu einem Energieverlust von 90 Prozent, d.h. für eine Kalorie im Rindersteak müssen zuvor sieben bis zehn Kalorien aus Futtermitteln in der Tierhaltung aufgewendet werden. Würde man die Soja- und Weizenernte nutzen, um Menschen zu versorgen statt Masttiere, könnte der Welthunger besiegt werden. Hochrechnungen gehen davon aus, dass sich bei einer veganen Ernährung mit den heutigen Ackerflächen problemlos 10 bis 12 Milliarden Menschen versorgen ließen. Wer den Menschen in Afrika und anderen ärmeren Regionen der Welt helfen möchte, tut also einen gewaltigen Schritt mit dem Umstieg auf eine pflanzliche Ernährung.

Gesicht, das zur Hälfte aus einem Hund und zur Hälfte aus einem Rind besteht

Es sind nun mal Nutztiere und keine Haustiere!

Die Tierrechtsdiskussion ist durch die permanente Verwechslung von Naturgesetzen mit kulturellen Bräuchen geprägt. Am deutlichsten zeigt sich das wohl in der Unterscheidung zwischen ‘Haustieren’ und ‘Nutztieren’. Während die Menschen Haustieren einen Subjektstatus zubilligen, degradieren sie Nutztiere zu einem reinen Rohstoff für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Ob Menschen in dieser Gesellschaft als tierlieb gelten, wird in der Regel nicht etwa davon abhängig gemacht, wie sie zur industriellen Tötung von Tieren stehen, sondern davon, ob sie immer und überall den Drang verspüren, fremde Hunde und Katzen zu streicheln. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Haustieren und Nutztieren völlig willkürlich. Mit der natürlichen Beschaffenheit der Tiere hat sie nichts zu tun, sondern lediglich mit kulturellen Normen und Zuschreibungen. Das zeigt sich schon daran, dass andere Kulturen einen anderen Umgang mit den gleichen Tieren pflegen. Rinder zum Beispiel sind im Hinduismus heilige Tiere, die aus religiösen Gründen nicht geschlachtet und gegessen werden dürfen. Hunde und Katzen, deren Verzehr in Deutschland und Europa stark tabuisiert ist, gelten in Ländern wie Südkorea und China als Delikatesse. Vergleichbare regional unterschiedliche Esstabus gibt es auch bei Schweinen, Hirschen, Hasen, Pferden und anderen Spezies. Auch natürliche Merkmale wie Intelligenz, Sozialverhalten und Schmerzempfinden eignen sich nicht, um daraus eine Unterscheidung zwischen Haustieren und Nutztieren zu konstruieren. Alle drei Merkmale sind bei Schweinen erwiesenermaßen stärker ausgeprägt als bei Hunden.

Mann mit besorgtem Blick nach unten zur Visualisierung des Vegan-Mythos, dass eine vegane Ernährung wegen mangelndem B12 nicht gesund sein kann

Aber wo kriegst du dein Vitamin B₁₂ her?

Es gibt eine Reihe von Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen, die angeblich in einer pflanzenbasierten Ernährung fehlen. Bei fast allen dieser Stoffe ist es ohne Weiteres möglich, den Bedarf über eine vollwertige pflanzliche Ernährung zu decken. Ein Sonderfall ist Vitamin B₁₂, denn dieses kommt in pflanzlichen Lebensmitteln wenig bis gar nicht vor. Das Vitamin wird von Bakterien in der Erde produziert. Da die Lebensmittel heutzutage vor dem Verzehr gründlich von Schmutz gereinigt werden, geht auch das B₁₂ verloren. Ernährungswissenschaftler empfehlen daher, den Bedarf durch eine Zufuhr von außen zu decken. Denn eine dauerhafte Unterversorgung mit Vitamin B₁₂ rächt sich früher oder später mit fiesen Mangelerscheinungen wie etwa Müdigkeit oder Psychosen bis hin zu bleibenden Schäden. Ein wirkliches Problem ist das nicht, denn es gibt mittlerweile günstige und gut verfügbare Supplements. Daraus abzuleiten, dass es deshalb natürlicher ist, den Stoff über Fleisch zu sich zu nehmen, ist aber nicht mehr als ein Mythos. Denn auch ins Fleisch kommt das Vitamin meist nicht auf natürlichem Weg. Die Tiere in der industriellen Tierhaltung grasen nicht mehr auf der Weide, wo sie das B₁₂ über an der Nahrung haftende Erde aufnehmen können. In den Ställen der Massentierhaltung, wo die Tiere keinen Zugang zu naturbelassener Nahrung haben, bekommen sie Vitamin B₁₂ ebenfalls nur durch Beimischungen zum Futter zugeführt. So landen 98 Prozent aller B₁₂-Supplements in den Trögen der Massentierhaltung. Wer also argumentiert, eine vegane Ernährung sei unnatürlich, weil Vitamin B₁₂ über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden muss, unterschlägt dass es auch im Steak nur über den Umweg von Supplements gelandet ist. 

Bauer mit Kuh zur Visualisierung des Mythos, dass eine Kuh jederzeit Milch gibt und gemolken werden muss

Aber Kühe müssen doch gemolken werden!

Einige Mythen haben sich nicht nur in unseren Köpfen festgesetzt, sondern auch in unserem Sprachgebrauch. Dazu gehört, dass die Kuh angeblich ‘Milch gibt’ und auch ganz schlicht das Wort ‘Milchkuh’. Formulierungen, die wir in unserer Kindheit gelernt haben und deren Bedeutung wir in der Regel nicht infrage stellen. Doch eine Kuh ist genauso wenig eine Milchkuh wie eine menschliche Frau eine Milchfrau ist. Milch produziert die Kuh nicht mal so eben nebenbei, sondern dann – und nur dann – wenn sie ein Kalb gebärt. Das lässt sich in der Landwirtschaft nur erreichen, indem die Tiere permanent zwangsbefruchtet werden. Unmittelbar nach der Geburt werden die Mütter von ihren Kindern getrennt. Die Muttermilch wird dann für den Menschen weiterverarbeitet, während die Kälber mit Wasser gestrecktes Milchpulver bekommen und entweder geschlachtet oder, wenn sie weiblich sind, ebenfalls zu Milchkühen aufgezogen werden. Wer sich mit Menschen über Milch unterhält, wird schnell feststellen, dass sich die meisten das noch nie vergegenwärtigt haben. Besonders viele Gedanken machen sich Verteidiger des Status Quo offenbar darüber, was denn passieren würde, wenn man die Kühe nicht melken würde – ob dann die Euter platzen würden. Die Frage drängt sich auch auf, denn die Kühe wurden im Laufe der Jahrzehnte zu Hochleistungskühen herangezogen, deren Euter teilweise bis zum Boden reichen, so dass die Tiere kaum noch laufen können. Sie produzieren heute bis zu zehnmal mehr Milch, als sie für das Stillen ihres Nachwuchses bräuchten. Wenn diese Kühe nicht gemolken werden, dann explodieren die prall gefüllten Euter nicht, aber verursachen den Tieren Stress. Es kann auch zu schmerzhaften Entzündungen führen und Durchbrüche zur Folge haben. Aber wofür genau ist das ein Argument – für das Melken von Kühen und das Zweckentfremden der Muttermilch einer anderen Spezies?

Mann verschlingt einen Hamburger - zur Visualisierung der Aussage, Fleisch sei so lecker, dass man nicht darauf verzichten könnte

Ich könnte das nicht, dafür ist Fleisch zu lecker!

Niemand behauptet, dass Fleisch und Milchprodukte nicht schmecken können. Die allermeisten Menschen, die heute als Veganer oder Vegetarier leben, sind mit tierischen Produkten aufgewachsen. Und die wenigsten haben damit aufgehört, weil ihnen das einfach nicht geschmeckt hat. Im Gegenteil: Nicht alle, aber viele Menschen mit einer pflanzenbasierten Ernährung bekommen trotzdem manchmal Appetit, wenn sie gegrilltes Fleisch riechen. Es geht nicht darum, ob Fleisch schmeckt. Es geht einzig und allein darum, welche negativen Nebenwirkungen diesem Geschmackserlebnis gegenüberstehen. Und darum, ob sich diese Nebenwirkungen durch eine Alternative vermeiden lassen. Dass sich der Mensch pflanzlich ernähren kann, ohne dabei zum Zombie zu mutieren, beweisen Millionen von Menschen allein in Deutschland, die sich vegan oder vegetarisch ernähren. Allerdings bringt es erfahrungsgemäß wenig, den Menschen mit belehrendem Tonfall zu erklären, dass Können und Wollen hier zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Zielführender ist es meist, die Latte ein wenig tiefer zu hängen und zu zeigen, dass kleine Schritte auf jeden Fall möglich sind, ohne auf guten Geschmack zu verzichten: Probiere es doch einfach mal einen Monat lang mit einem vegetarischen Tag in der Woche und schau, wie es dir damit geht. Komm, ich lade dich mal auf ein veganes Chili ein, das haut dich um. Versuche mal, statt Lebensmittel x einfach Lebensmittel y zu nehmen und mache noch Gewürz z ran, dann musst du auf den gewohnten Geschmack nicht verzichten.  

Fisch in Bratpfanne zur Visualisierung der Frage, ob man wenigstens Fisch isst, wenn man schon auf Fleisch verzichtet

Aber Fisch isst du?!

Das Thema Fisch ist ein blinder Fleck in der Tierrechtsdiskussion. Viele Menschen, die aus ethischen Gründen keine Landtiere essen, haben überhaupt kein Schmerzgefühl, wenn es um den Verzehr von Fisch und anderen Meeresbewohnern geht. Aus gesundheitlicher Perspektive kann es durchaus Sinn machen, hier einen anderen Maßstab anzulegen. Denn der Verzehr von Fisch und Meerestieren ist erwiesenermaßen gesünder als Fleischkonsum. Aus ethischer Perspektive hingegen gibt es keinen haltbaren Grund dafür, warum Fische anders zu behandeln wären als andere Tiere. Auch wenn ihnen das häufig abgesprochen wird, haben Fische ein Bewusstsein und Schmerzempfinden. Die Methoden der industriellen Fischerei sind nicht sonderlich zimperlich im Umgang mit den Tieren. Langleinen und Grundschleppnetze sind äußerst brutal. Auch aus ökologischer Sicht ist es bedenklich, Fische zu essen, denn der Zustand der Weltmeere ist katastrophal: Laut Welternährungsorganisation FAO sind 33 Prozent aller weltweiten Fischbestände überfischt und weitere 60 Prozent maximal ausgeschöpft. Zudem sind Fischernetze und andere Fischereiutensilien die größte Einzelquelle für den Plastikmüll in den Ozeanen. Die Zahlen sind schwindelerregend: Mehr als 171 Millionen Tonnen Wassertiere werden jedes Jahr für den Verzehr getötet. Gemessen wird bei Wassertieren aufgrund dieser Dimensionen nicht in Individuen sondern in Tonnen, die Zahl der einzelnen Tiere geht in die Billionen. Hinzu kommt das Problem des sogenannten Beifangs: Für jeden Zielfisch landen auch viele andere Meeresbewohner in den Netzen der Fischerei und werden dann tot, sterbend oder schwer verletzt ins Wasser zurückgeworfen. Pro Jahr tötet das – neben vielen Milliarden anderer Meeresbewohner – 100 Millionen Haie und Rochen, 300.000 Wale und Delfine und 250.000 Meeresschildkröten. 

Löwe zur Visualisierung der Aussage, dass der Löwe ja schließlich auch andere Tiere isst

Der Löwe isst auch Tiere, so ist die Natur nun mal!

Löwen sind instinktgeleitete Fleischfresser. Sie töten, weil ihnen die Natur keine andere Möglichkeit lässt. Wir Menschen hingegen haben sowohl im Hinblick auf unsere körperliche Beschaffenheit als auch auf unsere geistigen Fähigkeiten die Möglichkeit, uns komplett durch pflanzenbasierte Kost zu ernähren. Eine karnivore Spezies mit einer omnivoren Spezies zu vergleichen, macht ganz einfach keinen Sinn. Fraglich ist auch, warum die Orientierung am Löwen beim Fleischessen legitim sein soll, während uns dieses Rechtfertigungsmuster bei Themen wie Kannibalismus, Inzest, Kindstötung und Vergewaltigung ganz sicher nicht einfallen würde. Wenn der Mensch alles tun würde, was im Tierreich natürlich ist, bliebe nicht viel übrig von unserem ach so zivilisierten Lebensstil. Dabei ist es durchaus sinnvoll, das gegenwärtige System der Tierhaltung einmal aus der Perspektive heraus zu betrachten, wie viel von der natürlichen Ordnung noch übrig ist: Wie natürlich sind Vögel, denen durch Zucht das Fliegen abgewöhnt wurde? Welche andere Art auf dem Planeten trennt systematisch die Mutter von ihrem Kind, um ihr die Muttermilch zu rauben? Was hat das mit Natur zu tun, wenn wir unsere vier Kilogramm schweren Hauskatzen mit 200 Kilogramm schweren Thunfischen von der anderen Seite des Planeten füttern? Wem an der Bewahrung der Natürlichkeit gelegen ist, der sollte sich besser mal mit solchen Fragen beschäftigen. Randnotiz: Es ist erstaunlich, wenn sich Menschen, die sich ihr 1,99 Euro Chicken Teriyaki in der Mikrowelle warm machen, ausgerechnet mit einem Löwen gleichsetzen.

Irgendwas mit Hitler…

Mit Hitler- und Nazivergleichen hat sich selten in der Politik jemand einen Gefallen getan. In den allermeisten Fällen geht das fundamental nach hinten los, bis hin zum Rücktritt. Auch in Gesprächen über Ernährung und Fleischessen ist das Wort ‘Hitler’ ein ziemlich sicherer Indikator dafür, dass sich das Thema oder das ganze Gespräch jetzt dem Ende zuneigt. Und zwar unabhängig davon, welche Seite es in den Mund nimmt. Wenn Veganer oder Vegetarier die Massentierhaltung mit der Ermordung von Millionen Juden und anderen Menschen durch die Nazis im Holocaust gleichsetzen, dann führt das zu nichts anderem als dazu, dass das Gegenüber die Schotten dicht macht und in keiner Weise mehr empfänglich ist für die richtigen und wichtigen Argumente, die gegen die massenhafte industrielle Tötung von Tieren sprechen. Wenn auf der anderen Seite ein überzeugter Fleischesser dies damit rechtfertigt, dass Hitler ja angeblich auch Vegetarier war, dann ist diesem in der Regel auch nicht mehr mit Argumenten beizukommen. Das Gespräch kann man wohl getrost abbrechen und seine Zeit sinnvoller einsetzen. Wer dem dennoch etwas entgegnen möchte, kann darauf verweisen, dass Hitlers weitgehender Verzicht auf Fleisch in keiner Weise ethisch bedingt war, sondern ausschließlich damit zu tun hatte, dass Fleisch ihm arge Verdauungsprobleme bescherte. 

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