Am Anfang eines jeden Jahres kürt eine unabhängige Expertenjury mit dem Unwort des Jahres Begriffe, die besonders irreführend sind oder gegen die Menschenwürde verstoßen. In der Vergangenheit wurden Wortschöpfungen wie ‘Humankapital’ oder ‘Lügenpresse’ ausgezeichnet. Auch für das Unwort des Jahres 2020 gibt es schon viele geeignete Aspiranten: Hygienedemo, Behandlungspriorität etc. Mein Kandidat für 2020 wäre aber ‘Schlachtstau’.
Wir erinnern uns: Im Sommer legten Covid-19-Infektionen in zahlreichen Schlachtbetrieben Teile der deutschen Tierindustrie über Wochen lahm. Der Skandal kreiste um die Arbeitsbedingungen der meist aus Osteuropa stammenden Leiharbeiter. Das Leid der Tiere in den Schlachtbetrieben war hingegen kein Thema. Erst jetzt, wo das öffentliche Interesse abgeebbt ist und das Versprechen zur Beendigung der Leiharbeit in Schlachtbetrieben längst relativiert ist, rücken die Tiere in den Mittelpunkt, denn hunderttausende Schweine konnten nicht im ursprünglichen Zeitplan der Tierindustrie getötet und zerlegt werden und belegen noch die Ställe.
Hierfür erfanden Agrarpolitiker aus Bund und Ländern, die Tierindustrie sowie Medien das Wort ‘Schlachtstau‘, meist verbunden mit ‘wartenden Schweinen‘. Das ist ein typisches Beispiel für speziesistische Sprache, weil es stark euphemistisch ist und Freiwilligkeit vorgaukelt. Schweine ’warten‘ nicht im ‘Schlachtstau’ darauf, nach sechs Monaten getötet zu werden, sondern könnten 15 bis 20 Jahre weiterleben, würde man sie lassen. Damit erfüllt ‘Schlachtstau‘ wohl alle Voraussetzungen für die Kür zum Unwort des Jahres 2020 – auch wenn die Konkurrenz stark ist.